Täuscht die Bayerische Staatsregierung nur vor, sich von der queeren Ampelpolitik abzugrenzen?

Zweiter offener Brief an den Bayerischen Ministerpräsidenten

Der offene Brief als PDF
18. Juni 2024

Sehr geehrter Herr Ministerpräsident,

das Bayerische Staatsministerium für Familie, Arbeit und Soziales (StMAS) beabsichtigt weiterhin, seinen Aktionsplan Queer analog zu dem der Ampelregierung auf Grundlage des transgenderideologischen Konzepts der „Geschlechtsidentität“ voranzutreiben. Aufschluss darüber geben sowohl die Website des Ministeriums als auch die Seite der Online-Beteiligungsplattform, die im Auftrag des StMAS betrieben wird.

Gleichzeitig betonen Sie bei jeder Gelegenheit, dass sich die Bayerische Staatsregierung von der Genderpolitik abgrenze und das sog. Selbstbestimmungsgesetz des Bundes ablehne, was so auch im Koalitionsvertrag von CSU und Freien Wählern vereinbart wurde. Es stellt sich also die Frage, wie ernst die Staatsregierung ihre Abgrenzung von der Transgenderideologie meint. Gibt sie nur vor, sich von der queeren Politik der Ampelregierung zu distanzieren?

Dazu hatte Sie die Initiative Geschlecht zählt bereits im Januar in ihrem ersten offenen Brief um eine Klarstellung gebeten.

Danach wurde zwar der Text auf der StMAS-Seite Bayerischer Aktionsplan Queer modifiziert, wo zunächst offen die „Geschlechtsidentität“, das Kernstück des sog. Selbstbestimmungsgesetzes, vertreten worden war. Dort wird der Aktionsplan nun unter Vermeidung von transgenderideologischem Vokabular lediglich als „ein wichtiger Teil der im Koalitionsvertrag (KoaV) angekündigten bayerischen Agenda für Vielfalt“ dargestellt.

Nach wie vor werden jedoch die Diskriminierungsmerkmale Geschlecht und sexuelle Orientierung missachtet, auf die sich die Vereinbarungen im Koalitionsvertrag beziehen: Im Zusammenhang mit LSBTIQ wird weiter über „geschlechtliche Vielfalt“ informiert. Und auf der im Auftrag des StMAS vom Bayerischen Jugendring und dem Institut für Medienpädagogik betriebenen Online-Beteiligungsplattform zum Aktionsplan wird durchweg im Sinne der Transgenderideologie argumentiert, wie nachfolgend dargestellt wird:

  • Unter der Überschrift „Informieren“ heißt es in der Zielformulierung:

    „Selbstbestimmt, gleichberechtigt, diskriminierungs- und gewaltfrei leben zu können – das muss in Bayern für alle Menschen selbstverständlich sein, unabhängig von ihrer geschlechtlichen Identität und sexuellen Orientierung.“

    Welche katastrophalen Auswirkungen es vor allem für Frauen und Mädchen hat, wenn anstelle des Geschlechts das transgenderideologische Konzept der „geschlechtlichen Identität“ oder „Genderidentität“ als Grundlage des Aktionsplans in die bayerische Politik eingeschleust wird, haben wir in unserem ersten offenen Brief an Sie konkretisiert.
  • Das Glossar soll „queerfeindliche Begriffe“ angeblich „sachlich erklären und richtigstellen“. Tatsächlich wird in dessen Einträgen jedoch eindeutig die Transgenderideologie transportiert, womit sich die Bayerische Staatsregierung in ihrer politischen Ausrichtung geradezu selbst kompromittiert. Deren Werte und politische Schwerpunkte, die Familien und Kinder betreffen, werden ad absurdum geführt:
    • Bestritten wird etwa die biologisch bedingte Zweigeschlechtlichkeit des Menschen und es wird abgeleitet, das Lebenskonzept der bürgerlichen Familie – ein Kernstück der Bayerischen Verfassung (Art. 124) – sei ein queerfeindliches, oft religiös begründetes Konstrukt.
    • Weiter werden die Personen, die ablehnen, was hier „Genderismus“ genannt wird – also auch Sie, sehr geehrter Herr Ministerpräsident – als „queerfeindliche und antifeministische Akteur*innen“ betitelt, da sie von einem „binären Bild von Geschlecht“ ausgingen.
    • Die Quellenangaben im Glossar beziehen sich ausschließlich auf Literatur und mediale Veröffentlichungen von Institutionen und Personen, die die Transgenderideologie propagieren. Dafür zwei Beispiele:
      Es wird auf das Regenbogen-Portal des Bundesfamilienministeriums verwiesen, auf dem in ideologisierter Sprache Frauen und Männer als „cis-Personen“ oder als „endogeschlechtliche Männer und Frauen“ im Unterschied zu „transgeschlechtlichen“ bezeichnet werden. Das Bundesfamilienministerium suggeriert also, es gäbe mit einer „transgeschlechtlichen Identität“ ein weiteres Geschlecht neben weiblich und männlich.
      Es wird auf den „Erklärfilm“ „Geschlechtliche und sexuelle Vielfalt“ verwiesen, der gefördert von Bundesfamilienministerium, Heinrich Böll Stiftung und Friedrich Ebert Stiftung entstanden ist und mit dem die Transgenderideologie in „einfacher Sprache“ offenbar auch Kindern nahegebracht werden soll.

Auf der Online-Beteiligungsplattform wird also deutlich, dass der Bayerische Aktionsplan Queer ausschließlich die Belange von Transgender- und sog. non-binären Personen bedient. Es finden sich weder Informationen zu den spezifischen Belangen von intergeschlechtlichen und homosexuellen Personen allgemein noch zur geschlechtsbedingten Gewalt gegen lesbische Frauen und Mädchen.

Vor der Modifizierung der StMAS-Seite zum Aktionsplan sollen auf der Beteiligungsplattform die Beiträge von Teilnehmerinnen und Teilnehmern für andere Beteiligte einsehbar gewesen sein. Das ist jetzt nicht mehr der Fall, wodurch auch die kritischen Beiträge zum Aktionsplan nicht mehr sichtbar seien, solche sollen vor der Modifizierung sogar durch die Website-Betreiber gelöscht worden sein, wie Beteiligte berichten.

Vermutlich betont das StMAS deshalb nun auf seiner Seite: „Meinungsfreiheit ist ein hohes Gut. Deshalb werden sämtliche Äußerungen berücksichtigt.“ „Ideen“ allerdings, die sich kritisch zum Aktionsplan Queer aussprechen, würden, so heißt es, an das StMAS weitergeleitet, dort gesichert und zahlenmäßig erfasst. Es bleibt offen, ob das Ministerium daraus transparent Schlüsse ziehen wird für die Akzeptanz durch die Mehrheitsgesellschaft und auch durch die vielen Lesben und Schwulen, die „queeren Aktionsplänen“ kritisch gegenüberstehen – und wenn ja, welche dies sein werden.

Sehr geehrter Herr Ministerpräsident, da Sie der Bevölkerung gegenüber so auftreten, als lehnten sie die Transgenderideologie und das darauf aufbauende sog. Selbstbestimmungsgesetz der Ampelregierung ab, bittet Sie die Initiative Geschlecht zählt um Klarstellung: Wie können Sie es verantworten, dass Ihre Regierung trotzdem den angeblich eigenständigen Bayerischen Aktionsplan Queer mit transgenderideologischen Inhalten untermauert und offenbar beabsichtigt, ihn auf eine intransparente Art und Weise durchzusetzen?

Diese Frage stellt sich akut, weil auch in Bayern auf Basis des Konzepts „geschlechtliche Identität“ die Frei- und Schutzräume von Frauen sukzessive vernichtet werden. So versucht etwa in Erlangen derzeit ein Mann, der sich als Frau sieht, sich in ein Fitnessstudio für Frauen einzuklagen, und das augenfällig in einer konzertierten Aktion mit der Antidiskriminierungsbeauftragten des Bundes. Indes „informieren“ seine Anwältinnen die Presse in geradezu einschüchternder Weise.

Ein Bayerischer Aktionsplan Queer mit der vom StMAS geplanten transgenderideologischen Ausrichtung würde derartige Vorfälle regelrecht forcieren. Sicherte die Sozialministerin doch in ihrem „politischen Impuls“ bei der Auftaktveranstaltung zum Aktionsplan im Juli 2023 „queeren Personen“ zu, ihre „Identität ausleben“ zu können.

Mit freundlichen Grüßen
Hilde Schwathe
– für die Initiative Geschlecht zählt