Stellungnahme von Geschlecht zählt zum Referentenentwurf
Am 9. Mai 23 veröffentlichten das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) und das Bundesministerium der Justiz (BMJ) den Referentenentwurf zum „Selbstbestimmungsgesetz“ (SBGG).
Die Initiative Geschlecht zählt kommt in ihrer Stellungnahme zu dem Urteil:
Der Gesetzentwurf beruht wie seine Begründung auf einer geschlechtsverleugnenden Ideologie. Die Veränderung des Personenstandsrechts ist zudem kein verfassungsrechtlicher Auftrag, sondern eine politische Zielsetzung. Mit der vorgesehenen Neudefinition der Rechtskategorie „Geschlecht“ könnte jeder Mann sofort rechtlich zur „Frau“ werden und so in die soziale Gruppe der Frauen eindringen. Dadurch würden die geschlechtsbedingten Menschenrechte von Frauen untergraben und ausgehebelt. Das Kindeswohl und die elterliche Fürsorge, die beide rechtlich geschützt sind, würden zur Disposition gestellt.
Der Gesetzentwurf ist in Gänze abzulehnen.
Lesen Sie hier die gesamte Stellungnahme.
Das Vorhaben auf dem Hintergrund des Eckpunktepapiers und der Bundespressekonferenz
Die Regierung will mit einem Selbstbestimmungsgesetz einführen, dass alle Menschen in diesem Land ihren amtlichen Geschlechtseintrag unabhängig von ihrem körperlich-biologischen Geschlecht frei wählen können. Dafür soll allein eine Selbstauskunft der Person beim Standesamt ausreichen.
Damit kommt die Ampelkoalition den Forderungen der Transgender-Rechtslobby nach, die das Prozedere des gültigen Transsexuellengesetzes (TSG) ablehnt, das für die Änderung des Geschlechtseintrags im Personenstand ein gerichtliches Verfahren mit Sachverständigen-Gutachten und spezifischen Maßnahmen voraussetzt.
Der Koalitionsvertrag
Im Mai 2021 hatte der Bundestag die Entwürfe von Grünen und FDP für ein Selbstbestimmungsgesetz abgelehnt. Auf diesen Entwürfen beruht das Selbstbestimmungsgesetz, das FDP und Grüne nun zusammen mit der SPD durchsetzen wollen. Im Koalitionsvertrag vom November 2021 heißt es auf Seite 119:
„Wir werden das Transsexuellengesetz abschaffen und durch ein Selbstbestimmungsgesetz ersetzen. Dazu gehören ein Verfahren beim Standesamt, das Änderungen des Geschlechtseintrags im Personenstand grundsätzlich per Selbstauskunft möglich macht, ein erweitertes und sanktionsbewehrtes Offenbarungsverbot und eine Stärkung der Aufklärungs- und Beratungsangebote. Die Kosten geschlechtsangleichender Behandlungen müssen vollständig von der GKV übernommen werden.“
Das Eckpunktepapier und die Bundespressekonferenz
Am 30. Juni 2022 stellten Justizminister Buschmann und Familienministerin Paus in der Bundespressekonferenz ein Eckpunktepapier zum geplanten Gesetz vor und beantworteten die Fragen von Journalistinnen und Journalisten dazu.
Beide betonten, das Selbstbestimmungsgesetz regele „nur“ die Änderung des Geschlechtseintrags und des Vornamens für „transgeschlechtliche, non-binäre und intersexuelle Personen“ neu. Die Kostenübernahme durch die Krankenkassen und alle Regelungen zu „geschlechtsangleichenden“ Operationen und Hormonbehandlungen seien – anders als bei den alten Entwürfen – nicht Gegenstand des Selbstbestimmungsgesetzes, sondern würden vom Bundesgesundheitsministerium in einem eigenen Gesetz geregelt bzw. seien oder würden in den medizinischen Leitlinien festgelegt.
Da diese Änderung doch nur eine Formalie sei, wäre sie mit einer „einfachen Erklärung beim Standesamt“ zu erledigen. Und weil das ein Gewinn nicht nur für die genannte Gruppe, sondern für die ganze Gesellschaft sei, ermögliche man dies gleich allen Bürgerinnen und Bürgern. Was soll da ein Problem sein?
Das Problem: Paradigmenwechsel von „Geschlecht“ zu „Geschlechtsidentität“ wird verschwiegen
Buschmann und Paus verschweigen aber: Eine Änderung des Personenstands per „einfacher Erklärung beim Standesamt“ würde nur deshalb möglich, weil die Ampelregierung mit dem Selbstbestimmungsgesetz beabsichtigt, eine grundlegende Forderung der Transgender-Rechtslobby zu erfüllen. Diese „einfache Erklärung beim Standesamt“ betrifft nämlich den Eintrag im Personenstandsregister, mit dem amtlich dokumentiert wird, welchem Geschlecht eine Person angehört. Und der könnte nur geändert werden, wenn sich das Geschlecht einer Person ändert, was nicht möglich ist, da das Geschlecht biologisch bedingt und unveränderbar ist.
Folglich muss neu definiert werden, was Geschlecht ausmacht, was juristisch und gesellschaftlich darunter verstanden wird. Und genau darin besteht die Forderung der Transgender-Rechtsaktivisten. Diese verschwindend kleine, aber wirkmächtige Gruppe fordert ja nicht, das Geschlecht wechseln zu können, denn auch diese Leute wissen, dass dies nicht möglich ist. Sie fordert, die Kategorie „Geschlecht“ in unserem Rechtssystem durch das transgenderideologische Konstrukt „Geschlechtsidentität“ zu ersetzen, nach dem das Geschlecht einer Person allein auf Gefühlen beruhe.
Erst dieser fundamentale Paradigmenwechsel in unserer Rechts- und Gesellschaftsordnung würde ermöglichen, dass die angekündigte „einfache“ Änderung im Personenstand vorgenommen werden könnte.
Was bedeuten die Aussagen im Koalitionsvertrag?
Was im Koalitionsvertrag steht, muss auf dem Hintergrund des sehr vage gehaltenen Eckpunktepapiers und der Aussagen von Buschmann und Paus gelesen werden.
- „Transsexuellengesetz durch Selbstbestimmungsgesetz ersetzen“
- „Geschlechtseintragsänderung im Personenstand per Selbstauskunft“
- „Sanktionsbewehrtes Offenbarungsverbot“
- „Stärkung der Aufklärungs- und Beratungsangebote“
- „Kosten müssen vollständig von der GKV übernommen werden“
1. „Transsexuellengesetz durch Selbstbestimmungsgesetz ersetzen“
Bereits die Aussage, das Transsexuellengesetz solle „ersetzt“ werden, ist irreführend und täuschend. Das Selbstbestimmungsgesetz soll nämlich nicht, wie das gültige Transsexuellengesetz, als ein Sondergesetz für eine Minderheit angelegt sein. Seine Bestimmungen sollen vielmehr im Personenstandsrecht für alle Bürgerinnen und Bürger gelten. Jede Person soll für sich selbst und ohne jegliche Voraussetzungen bestimmen können, welchem „Geschlecht“ sie angehören will. Das Geschlecht, so die Regierung, dürfe nicht länger anhand der körperlich-biologischen Geschlechtsmerkmale „zugewiesen“ werden.
Ausschlaggebend sei das persönliche Empfinden einer „Gender-“ bzw. „Geschlechtsidentität“. Gemeint ist damit die stereotype Geschlechtsrolle (engl. gender), die für Frauen und Männer gesellschaftlich unterschiedlich definiert wird, also ein Geschlechterklischee.
2. „Geschlechtseintragsänderung im Personenstand per Selbstauskunft“
Die Änderung des Geschlechtseintrags per Selbstauskunft beim Standesamt bedeutet die rechtliche Freigabe einer „Geschlechtswahl“ für alle Menschen in Deutschland.
Jede erwachsene Person könnte beim Standesamt eine Willenserklärung abgeben, um sofort ihren juristischen Geschlechtseintrag (männlich, weiblich, divers oder ohne Eintrag) im Personenstand zu ändern. Minderjährige ab 14 sollen dies aus eigenem Willen mit Zustimmung der Eltern tun können. Im Fall von Konflikten soll das Familiengericht entscheiden. Bei Kindern bis zum 14. Lebensjahr sollen stellvertretend die Sorgeberechtigten über deren Geschlechtseintrag bestimmen können.
So könnte beispielsweise ein Mann, der beim Standesamt den Eintrag „weiblich“ für sich wählt, sofort rechtlich zur „Frau“ werden – ohne dass er dafür irgendwelche Voraussetzungen erfüllen müsste. Es gäbe also zwangsläufig „Frauen“ mit männlichen Körpern inklusive männlichen Genitalien.
Nach Änderung des Geschlechtseintrags dürfte die Person auch alle amtlichen Dokumente bis hin zur Geburtsurkunde auf das neue „Geschlecht“ umschreiben lassen, egal ob sie 14 oder 65 Jahre alt wäre.
Bei verurteilten Straftätern änderte sich auch die Geschlechtsangabe im Bundeszentralregister, also in der Datenbank, in der die Straftaten einer Person befristet vermerkt werden. So könnte zum Beispiel aus einem Vergewaltiger eine Vergewaltigerin werden. Dies würde die geschlechtsspezifische Kriminalstatistik verfälschen.
Für Medien würde eine Falschberichterstattung zum Beispiel über Sexualstraftaten quasi zur Pflicht gemacht, wenn über eine „Täterin“ berichtet werden müsste, die eigentlich ein Täter ist.
Jede Person könnte ihre Lebensgeschichte über die Änderung des Geschlechtseintrags mit Absicht umdeuten und verfälscht darstellen.
Es ist fraglich, ob die Personenstands-Historie nach Änderung des Geschlechtseintrags einer Person überhaupt noch zu rekonstruieren wäre. Dies hängt u.a. davon ab, welche Daten die Ämter löschen und welche sie weiter speichern müssten sowie welche sie weitergeben dürften.
3. „Sanktionsbewehrtes Offenbarungsverbot“
Wer das bei der Geburt festgestellte Geschlecht einer Person, die ihren Geschlechtseintrag geändert hat, offenlegt, muss mit einer Geldbuße von bis zu mehreren Tausend Euro rechnen.
Dieses Offenbarungsverbot fordert explizit zur Leugnung der Realität und Geschichtsklitterung auf.
Frauen und Mädchen dürften es demnach nicht mehr benennen, wenn ein Mann, der behauptet, eine Frau zu sein, etwa ihre Frauenumkleide betritt. Frauen würden bei Frauenveranstaltungen nicht mehr darauf hinweisen dürfen, dass solch ein Mann im Raum ist.
Es würde den Räumen vollends die Grundlage entzogen, die als Errungenschaft der Frauenbewegung eigens dafür eingerichtet wurden, um Frauen und Mädchen Schutz zu bieten vor männlicher Dominanz und sexualisierten Übergriffen. Bereits heute erfolgt eine finanzielle Förderung durch die öffentliche Hand zum Beispiel von Frauenhäusern nur noch, wenn sie auch Männer, die behaupten, Frauen zu sein, aufnehmen und die Mitarbeiterinnen über negative Auswirkungen schweigen.
Einrichtungen wie Krankenhäuser oder Pflegeheime, die eigene Räumlichkeiten für Frauen ausweisen, würden gezwungen werden, es zu leugnen, wenn Männer, die behaupten, Frauen zu sein, sich darin aufhalten. Die Institutionen müssten nämlich vertreten, es gebe keine Männer in ihren Räumen. Dies legt ein aktueller Fall aus England nahe: In der Frauenabteilung eines Krankenhauses wurde eine Frau durch eine „Transfrau“ vergewaltigt, also einen Mann, der sich zur Frau erklärt hatte. Dieser Vorfall wurde von der Klinik so lange mit dem Argument geleugnet, es gebe auf der Station keine Männer, bis die Tat durch Videoaufnahmen belegt werden konnte.
4. „Stärkung der Aufklärungs- und Beratungsangebote“
Aufklärungs- und Beratungsangebote will die Regierung stärker finanziell fördern. Wer neben den einschlägigen Vereinen und Verbänden von Transgender-Aktivisten für eine „ergebnisoffene“ Beratung zuständig sein soll, bleibt allerdings unerwähnt. Die Beratungsstellen, die jetzt schon mit Förderung des Bundesfamilienministeriums sog. Peer-Beratungen durchführen, sind Teil der Transgender-Rechtslobby und beraten nicht ergebnisoffen, sondern „transaffirmativ“, also ein „Transsein“ bestärkend.
5. „Kosten geschlechtsangleichender Behandlungen müssen vollständig von der gesetzlichen Krankenversicherung übernommen werden“
Das gültige Transsexuellengesetz sieht ein gerichtliches Verfahren mit zwei Gutachten durch psychologische oder ärztliche Sachverständige als Voraussetzung für eine Übernahme von Operations- und Behandlungskosten vor. Diese Begutachtung soll komplett abgeschafft werden.
Trotzdem sollen die gesetzlichen Krankenkassen – ohne jegliche Prüfung oder Voraussetzung – alle Kosten für „geschlechtsangleichende“ Operationen sowie lebenslange Hormongaben und andere Behandlungen übernehmen. Dazu gehören unumkehrbare Eingriffe wie die chirurgische Entfernung von Penis und Hoden, Brüsten, Gebärmutter und Eierstöcken mit einer hohen Wahrscheinlichkeit langfristiger Komplikationen. Dazu gehört auch der Aufbau einer sog. Neovagina oder eines künstlichen Penis. Die Erstkosten liegen oft bei weit über 10.000 Euro, dazu kommen die Folgekosten.
Das heißt, die gesetzlichen Krankenkassen und damit die Allgemeinheit sollen Eingriffe in gesunde Körper bezahlen, ohne dass der Behandlung fachliche Diagnosen oder Befunde zugrunde liegen.
Laut Eckpunktepapier bleibt diese Thematik im Selbstbestimmungsgesetz ausgespart, allerdings wird sie nur an das Bundesgesundheitsministerium ausgelagert.
Justizminister Buschmann sagte in der Pressekonferenz: „Nach meiner Kenntnis sehen alle medizinischen Leitlinien der Fachgesellschaften vor, dass man geschlechtsangleichende Eingriffe vor dem 18. Lebensjahr nicht durchführt. Sie werden in Deutschland keinen Arzt finden, keine Ärztin finden, die das machen.“ Daraus spricht eine ignorante Verkennung der Realität.
Sobald das Bundesgesundheitsministerium Eckpunkte oder einen Entwurf für ein Gesetz vorlegt, müssen die Angaben sowie Begründungen und Ausführungsbestimmungen im Kleingedruckten besonders beachtet werden.
Das aktuelle Vorhaben Selbstbestimmungsgesetz orientiert sich wie schon die früheren Gesetzentwürfe an dem, was Juristinnen und Juristen im sog. Iglyo-Dentons-Papier den Transgender-Aktivisten empfehlen, um auch Kinder erfolgreich in ein Selbstbestimmungsgesetz einzubeziehen.
Fazit: Der Frauenministerin ist das Sicherheitsbedürfnis von Frauen explizit egal
Die beschönigend und täuschend eingesetzten Begriffe „Selbstbestimmungsgesetz“ und „freie Geschlechtswahl“ klingen nach Antidiskriminierung und Gleichberechtigung. Die Änderung des Geschlechtseintrags wird verkauft als notwendige Formalie und damit Lappalie auf dem Weg dorthin.
Tatsächlich würde damit jedoch ein Paradigmenwechsel für unsere Rechts- und Gesellschaftsordnung eingeläutet, der massive negative Auswirkungen für die ganze Gesellschaft auf unterschiedlichen Ebenen nach sich zöge. Besonders wären Frauen und Mädchen davon betroffen, da zukünftig jeder Mann sich im Besitz seiner männlichen Genitalien per Sprechakt selbst rechtlich zur „Frau“ erklären könnte.
In skandalöser Weise antwortete die Ministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend in der Bundespressekonferenz auf die Frage eines Journalisten, wie sie für das Sicherheitsgefühl von Frauen sorgen wolle, wenn Männer als selbsternannte Frauen in deren Räume eindringen könnten. „Transfrauen sind Frauen“, sagte Lisa Paus nach einem Blick in die Luft, „deswegen sehe ich da jetzt keinen weiteren Erörterungsbedarf“. Diese Ministerin ist für die Belange von Frauen und Mädchen zuständig und damit für eine Risiko- und Rechtsfolgenabschätzung des Gesetzes. Dass Paus nichts dergleichen veranlasst und nur das Mantra der Transgender-Rechtslobby wiederholt, zeigt, mit welcher Frauenverachtung sie ihr Ministerium führt.
Umdeutung der Realität
Wie in George Orwells „1984“ versuchen die Transgender-Aktivisten und mit ihnen das Justiz- wie das Familienministerium, die Realität umzudeuten. So suggeriert der im Eckpunktepapier verwendete Begriff „transgeschlechtliche Personen“, es gebe eine homogene Gruppe, für die und deretwegen es das Selbstbestimmungsgesetz geben solle. Das ist bewusst irreführend.
Es wird negiert, dass es zwei Personengruppen gibt: eine, die sich als „klassisch“ transsexuell versteht, und eben eine andere: die der Transgender-Personen und derer, die sich als „non-binär“ bezeichnen. Beide Gruppen haben wenig gemeinsam. Die meisten „klassischen“ Transsexuellen lehnen die Forderungen der Transgender-Rechtslobby sogar explizit ab.
Gleichsetzung von Intergeschlechtlichen mit Transgender
Eine Umdeutung bedeutet auch die Ankündigung, das Selbstbestimmungsgesetz in eins zu fassen mit dem Gesetz, das den Geschlechtseintrag für intergeschlechtliche Personen regelt. Damit werden die körperlich-biologischen Varianten der Geschlechtsentwicklung bei intergeschlechtlichen Menschen gleichgesetzt mit dem Gefühl einer „Genderidentität“ von biologischen Frauen und Männern, die sich als Transgender und „non-binär“ verstehen. Beides hat nichts miteinander zu tun.