Stellungnahme zum Selbstbestimmungsgesetz-Entwurf

Die folgende Stellungnahme bezieht sich unverändert auch auf das am 12. April 2024 vom Bundestag verabschiedete Gesetz.

27. Mai 2023 | Als PDF

STELLUNGNAHME

zum „Referentenentwurf des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend und des Bundesministeriums der Justiz: Entwurf eines Gesetzes über die Selbstbestimmung in Bezug auf den Geschlechtseintrag und zur Änderung weiterer Vorschriften“ (Selbstbestimmungsgesetz, SBGG)

Der Entwurf des SBGG und die Änderung des Personenstandsrechts sehen vor, dass alle Bürgerinnen und Bürger einschließlich Minderjährigen ihren amtlichen Geschlechtseintrag unabhängig von ihrem körperlich-biologischen Geschlecht ohne Vorbedingung, allein auf der Basis einer „Geschlechtsidentität“ beim Standesamt ändern können. Dafür soll eine Erklärung mit Eigenversicherung ausreichen. Für Minderjährige ist die elterliche Zustimmung oder ein Urteil des Familiengerichts vorgesehen, wenn die Eltern die Zustimmung verweigern.

Der Gesetzentwurf beruht wie seine Begründung auf einer geschlechtsverleugnenden Ideologie. Die Veränderung des Personenstandsrechts ist zudem kein verfassungsrechtlicher Auftrag, sondern eine politische Zielsetzung. Mit der vorgesehenen Neudefinition der Rechtskategorie „Geschlecht“ könnte jeder Mann sofort rechtlich zur „Frau“ werden und so in die soziale Gruppe der Frauen eindringen. Dadurch würden die geschlechtsbedingten Menschenrechte von Frauen untergraben und ausgehebelt. Das Kindeswohl und die elterliche Fürsorge, die beide rechtlich geschützt sind, würden zur Disposition gestellt.

Der Gesetzentwurf ist wie im Folgenden begründet in Gänze abzulehnen.

1. Die Neudefinition der Rechtskategorie „Geschlecht“

Kernstück des SBGG ist die „Geschlechtsidentität“, trotzdem wird dieser Begriff im Gesetzentwurf nicht definiert oder das ihm zugrunde liegende ideologische Konzept transparent gemacht. Lediglich die Begründung benennt „Geschlechtsidentität“ als „selbst empfundenes Geschlecht“ (S. 35 [Kabinettsentwurf: S. 38]). Völlig unklar bleibt, was zum Beispiel ein Mann, also eine männliche Person mit Penis, Hoden und Prostata, meint, wenn er per Eigenversicherung erklärt, er „empfinde sich als Frau“. Es geht also um die Vorstellung, die sich dieser Mann von Frauen macht, um eine Identifikation mit Geschlechterklischees und nicht mit dem weiblichen Geschlecht.

Genau das verschleiert der Referentenentwurf: Das SBGG meint mit „Geschlechtsidentität“ eben nicht, was in der Bevölkerung weithin darunter verstanden wird, nämlich das geschlechtliche Selbstverständnis einer weiblichen oder männlichen Person. Hier ist es die irreführend-falsche Übersetzung von „Gender Identity“, der Bezeichnung für das ideologische Konzept der Transgender-Rechtsbewegung.

Das Konzept der Gender Identity leugnet die menschliche Zweigeschlechtlichkeit, die sich in objektivierbaren körperlich-biologischen Tatsachen zeigt. Es geht davon aus, dass es eine Vielzahl von Geschlechtern gibt, die sich auf „Genderidentitäten“ gründen. Es spezifiziert die Rollen sowie die Art und Weise, wie eine Person ihr „Gender-Empfinden“ ausleben und zum Ausdruck bringen kann, zum Beispiel durch Kleidung, Aussehen, Körpermerkmale oder Verhaltensweisen. Im LGBTQIA*-Spektrum stehen inzwischen rund 70 Optionen empfundener Identitäten zur Option. Neben „non-binär“, „agender“, „genderfluid“ usw. werden auch Paraphilien und Fetische als Ausdrucksform einer individuellen Genderidentität verstanden. Je nach Strömung der Bewegung werden darunter auch Exhibitionismus, Pädophilie[1] oder Sadomasochismus (BDSM) gefasst, was sich auch in Kooperationen ausdrückt. So ist beispielsweise die Deutsche Gesellschaft für Transidentität und Intersexualität e.V. (dgti) Partner der BDSM-Organisation Das Haus Roissy e.V.[2]

Definiert ist Gender Identity im Manifest der Transgender-Rechtsbewegung, den Yogyakarta Principles – Principles on the application of international human rights law in relation to sexual orientation and gender identity[3]. Aus deren deutscher Fassung[4] übernimmt der Referentenentwurf die inkorrekte Übersetzung „Geschlechtsidentität“. Korrekt müsste diese „Geschlechtsrollenidentität“ lauten.

Das ideologische Konzept der Gender Identity ist das Fundament von „Gender Self Identification Laws“ (Self-ID-Gesetzen), wie „Selbstbestimmungsgesetze“ international heißen. Mit diesen soll erreicht werden, dass jede Person ihren rechtlichen Geschlechtseintrag auf der Basis einer „Genderidentität“ anstelle des (körperlich-biologischen) Geschlechts selbst bestimmen kann, ohne dass sie dafür psychologische, medizinische oder andere Voraussetzungen erfüllen muss. Kinder und Jugendliche werden dabei mit einbezogen. Damit wird versucht, das von der Transgender-Rechtsbewegung geforderte angebliche Menschenrecht auf eine „freie Geschlechtswahl“ durchzusetzen. Dieses Recht gibt es nicht.

2. Das SBGG untergräbt die geschlechtsbedingten Rechte von Frauen

a) Die UN-Frauenrechtskonvention (CEDAW), in der die geschlechtsbedingten Rechte von Frauen verbrieft sind, benennt Gender[5], also genau die Stereotype, die Grundlage des Gender-Identity-Konzepts sind, als den maßgeblichen Grund für die Diskriminierung von Frauen, der zu bekämpfen ist. Staatlicher Auftrag ist es, diesen Stereotypen durch gleichstellungspolitische Maßnahmen entgegenzuwirken (Art. 3 (2) GG).

Das SBGG würde den Auftrag des Grundgesetzes und von CEDAW torpedieren, indem es diese Stereotype rechtlich zementiert. Wenn „Geschlecht“ auf einem subjektiven Identitätsgefühl und auf Stereotypen statt auf objektiver Biologie beruhte, würde den geschlechtsbedingten Rechten von Frauen die Grundlage entzogen. Ohne die auf den Fakten des Körpers basierende Definition von „weiblich“ könnten diese Rechte nicht mehr eingefordert werden. Frauen sind schließlich aufgrund ihres weiblichen Körpers, ihres weiblichen Geschlechts von Diskriminierung und sexualisierter Gewalt betroffen und nicht aufgrund einer empfundenen „Geschlechts-“ bzw. „Genderidentität“.

Mit der vorgesehenen Änderung des Personenstandsgesetzes würde „Geschlecht“ als gesellschaftliches Strukturmerkmal juristisch aufgehoben, da es nicht mehr valide als solches zu definieren wäre. Es hinge nicht mehr von objektivierbaren Geschlechtsmerkmalen ab, sondern allein von einer persönlichen Erklärung zu einem „empfundenen Geschlecht“. Strukturelle gesellschaftspolitische Maßnahmen – etwa zum Schutz von Frauen und Mädchen vor männlicher Gewalt oder die Gleichstellungspolitik und Mädchenförderung – könnten daran nicht mehr ansetzen, um die Nachteile auszugleichen, die Frauen und Mädchen aufgrund ihres Geschlechts erfahren. Statistiken über die Lebenssituation von Frauen und Männern wären nicht mehr objektiv zu erheben, wenn Männer, die sich – ggf. vorübergehend – zu Frauen erklären, als „weiblich“ erfasst werden. Wie valide wären zum Beispiel Kriminalstatistiken, wenn aus Vergewaltigern „Vergewaltigerinnen“ würden?

b) Das Offenbarungsverbot schränkt Frauen und Mädchen darin ein, einen Mann als solchen zu bezeichnen, weil nicht klar wäre, in welchen Fällen sie ein hohes Bußgeld riskierten. Die Frau, die Opfer von männlicher Gewalt wird, ist sogar ggf. daran gehindert, offen auszusprechen, dass sie Gewalt durch einen Mann erfahren hat. Nicht nur Frauen und Mädchen, die gesamte Gesellschaft würde gezwungen, die Realität zu leugnen.

c) Frauen könnten sich nicht mehr in Frauenvereinen organisieren oder in Frauenräumen treffen, ohne zu riskieren, die Gemeinnützigkeit oder öffentliche Förderung zu verlieren, wenn sie männliche Personen, die behaupten, Frauen zu sein, nicht zulassen. Für lesbische Frauen wäre dies besonders gravierend. Damit würde massiv in das Recht von Frauen auf Versammlungsfreiheit eingegriffen.

d) Der Staat entzöge sich mit Hinweis auf das Hausrecht seiner gesetzlichen Verantwortung, den Schutz von Frauen und Mädchen zu gewährleisten. Diese männlichen Personen erhielten nämlich auch Zugang zu allen Institutionen und Bereichen, die eigens zum Schutz von Frauen und Mädchen entstanden sind: zu Frauenhäusern, Frauenberatungsstellen, öffentlichen Toiletten, Mädchen- und Frauenumkleiden und -duschen in Schulen und Sportstätten, Frauengefängnissen, Frauengesundheitszentren, Zimmern für Frauen in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen sowie zu den Bereichen für Frauen und Mädchen in Unter­künften für Geflüchtete. Dadurch würden Frauen und Mädchen zusätzlich gefährdet. Die Verant­wortung dafür würde auf die Leiter/innen und Betreiber/innen der Einrichtungen abgewälzt werden (S. 43).

3. Die Veränderung des Personenstandsrechts ist kein verfassungsrechtlicher Auftrag, sondern eine politische Zielsetzung

Die Gesetzesbegründung argumentiert mit Bundesverfassungsgerichts-Beschlüssen, die eine Reform des Transsexuellengesetzes (TSG) anzeigten, da die Voraussetzungen, unter denen Personen ihren Geschlechtseintrag ändern können, dem nicht mehr ausreichend Rechnung trügen. Es wird zudem behauptet, das gesellschaftliche Verständnis von „Geschlechtsidentität“ habe sich gewandelt.

Nicht beanstandet hat das Bundesverfassungsgericht jedoch den Nachweis der Glaubwürdigkeit einer Änderung des Geschlechtseintrags. Im Gegenteil, es sagt ausdrücklich, dass das Merkmal Geschlecht valide sein muss, da sich daran Rechte und Strukturen der Gesellschaft orientieren.

Es gibt kein Rechtsschutzinteresse der Mehrheit der Bevölkerung, das Merkmal Geschlecht im Personenstandsrecht allein vom Willen einer Person abhängig, also willkürlich zu machen. Die Ministerien, die für den Referentenentwurf verantwortlich zeichnen, versuchen dies aus parteipolitischen Gründen im Interesse der Transgender-Rechtslobby mit dem SBGG als Self-ID-Gesetz unter dem Radar der Öffentlichkeit durchzusetzen, und das in einer die Demokratie beschädigenden Weise.

Die Ministerien beziehen sich im Entwurf u.a. auf die bereits genannten Yogyakarta Principles, von denen die Bundesregierung bereits 2007 hervorhob, dass sie keine Rechtskraft besitzen.[6] Sie beziehen sich zudem auf Bd. 7 der „Interministeriellen Arbeitsgruppe Inter- und Transsexualität“, die seit 2014 beim noch SPD-geführten Familienministerium angesiedelt und durchgängig mit Personen der Transgender-Rechtslobby besetzt war. Die Arbeitsgruppe bereitete vor, wie die Ideologie der Gender Identity aus den Yogyakarta Principles mit einem Gesetz wie dem SBGG der gesamten Bevölkerung übergestülpt und Geschlecht in unserem Rechtssystem neu definiert werden kann.

Eine politische Debatte über das ideologische Fundament und die Begründbarkeit des SBGG wird durch die Regierungsparteien und die Ministerien unterdrückt. Es wird sogar geduldet, dass Kritikerinnen durch Diffamierung und Bedrohung mundtot gemacht werden (sollen), worauf jüngst auch die UN-Sonderberichterstatterin über Gewalt gegen Frauen hinwies.[7]


Anmerkungen

[1] Z.B. https://www.schwulissimo.de/neuigkeiten/skandal-beim-koelner-csd-paedophile-laufen-mit-flagge-bei-demonstration-mit. |

[2] Siehe https://dashausroissy.de oder https://archive.is/Mbf5r. |

[3] “Gender identity is understood to refer to each person’s deeply felt internal and individual experience of gender, which may or may not correspond with the sex assigned at birth, including the personal sense of the body (which may involve, if freely chosen, modification of bodily appearance or function by medical, surgical or other means) and other expressions of gender, including dress, speech and mannerisms.” http://yogyakartaprinciples.org/wp-content/uploads/2016/08/principles_en.pdf , S. 6, Anm. 2. Siehe auch https://geschlecht-zaehlt.de/informationen/strategien/#Die_Yogyakarta-Prinzipien. |

[4] Z.B. https://www.hirschfeld-eddy-stiftung.de/fileadmin/user_upload/schriftenreihe/Yogyakarta_Prinzipien._HES_Schriftenreihe_Bd_1.pdf. |

[5] https://trainingcentre.unwomen.org/mod/glossary/view.php?id=36&mode=letter&hook=G&sortkey=&sortorder= |

[6] https://dserver.bundestag.de/btd/16/076/1607658.pdf |

[7] https://www.ohchr.org/en/press-releases/2023/05/allow-women-and-girls-speak-sex-gender-and-gender-identity-without |