Brandbrief an Union: CDU/CSU übernimmt frauenverachtenden Kurs der SPD

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6. April 2025

Sehr geehrter Herr Merz, sehr geehrter Herr Dr. Söder,
sehr geehrte „Chefverhandler“ von CDU und CSU,

in der Frauen- und Familienpolitik verrät die Union gerade ihre Wählerinnen und Wähler. Das zeigt das Papier aus den Koalitionsverhandlungen Ihrer Parteien mit der SPD vom 24. März.

Mit Entsetzen lesen wir, was dort zum sog. Selbstbestimmungsgesetz und zu bereits getroffenen Vereinbarungen zur Gleichstellungspolitik aus der AG 7 „Familie, Frauen, Jugend, Senioren und Demokratie“, der AG 1 „Innen, Recht, Migration und Integration“ sowie der AG 6 „Gesundheit und Pflege“ steht.

Demnach vertreten nun auch CDU und CSU, es gäbe mehr als zwei Geschlechter. Dieser Glaube ist zwar von der Meinungsfreiheit gedeckt, jedoch von keinem ihrer Partei- und Wahlprogramme. Keinen Rückhalt hat er auch bei ihren Mitgliedern und Wählerinnen und Wählern.

Das Selbstbestimmungsgesetz will die Union nur noch modifizieren

In Ihrem Wahlprogramm versprachen Sie: „Wir schaffen das Selbstbestimmungsgesetz der Ampel wieder ab.“ (S. 7) Das war auch Ihre Botschaft, seit die Ampelparteien dieses Gesetz im April 2024 gegen den Widerstand von förderungsunabhängigen Frauen- und Elternorganisationen durch den Bundestag gepeitscht hatten. Von vielen Frauen und auch Männern wurden CDU und CSU genau für dieses Wahlversprechen gewählt.

Nun zeigt das Verhandlungspapier unter „Offene Punkte – keine Priorisierung“: Die Union hat diese Position aufgegeben. Ihre Aussage lautet jetzt: „Abschaffung des Selbstbestimmungsgesetzes in der geltenden Fassung“ (S. 72).

Auch für CDU und CSU gibt es nun mehr als zwei Geschlechter

Die Union will das sog. Selbstbestimmungsgesetz (SBGG) also nicht mehr abschaffen, sondern allenfalls ändern. Das heißt, die Rechtskategorie „Geschlecht“ soll auch weiter durch das geschlechtsverleugnende ideologische Konzept Gender Identity definiert bleiben, die das Kernstück des SBGG ist.

Damit vertritt die Union entgegen Ihren Äußerungen vor der Wahl jetzt die Position der Ampel­parteien: Wer rechtlich als weiblich oder männlich gilt, richtet sich nicht nach dem (biologi­schen) Geschlecht, sondern nach einer der ca. 70 selbst gewählten „Gender-“ bzw. „Geschlechts­identitäten“. Sie spricht auch bereits von „allen Geschlechtern“ (S. 58).

Union bejaht Maßnahmen, die das Selbstbestimmungsgesetz voraussetzen

Obwohl im Papier suggeriert wird, das SBGG sei ein noch zu verhandelnder Punkt, hat die CDU/CSU bereits Fakten geschaffen mit Zugeständnissen, die als final gekennzeichnet sind. So benennt die AG 7 „zentrale Maßnahmen und konkrete Verabredungen“ als bereits vereinbart, die eine Beibehaltung des SBGG voraussetzen. Dazu gehört die Vereinbarung: „Um Gleichstellung schneller zu erreichen, führen wir die ressortübergreifende Gleichstellungsstrategie der Ampel­regierung weiter.“ Betont wird: „Die Bundesstiftung Gleichstellung ist für uns eine wichtige Säule. Gleichstellungspolitische Akteure werden wir weiterhin unterstützen.“ (S. 68)

Die Union beabsichtigt also tatsächlich, die geschlechtsverleugnende Gleichstellungsstrategie der Ampelregierung mit der „Bundesstiftung Gleichstellung“ weiterzuführen.

Das im Mai 2021 von CDU/CSU und SPD beschlossene Gesetz zur Errichtung dieser Stiftung sieht als deren Zweck in § 2 unmissverständlich die „Stärkung und Förderung der Gleichstellung von Frauen und Männern“ vor. In Missachtung dessen versteht die Stiftung in ihrer Arbeit den Begriff Geschlecht ideologisch ausgerichtet als „Genderidentitäten“ (bzw. falsch übersetzt „Geschlechter­identitäten“ oder „Geschlechtsidentitäten“), also nicht auf Frauen und Männer bezogen, sondern auf „Geschlechter in ihrer Vielfalt“. So bezahlt diese Institution, die mit jährlich 5 Mio. Euro aus dem Bundeshaushalt finanziert wird, auch mehrhundertseitige Studien etwa zu „nicht-binären Personen“.

Die Förderung von transgenderideologischen NGOs geht ungeprüft weiter

Weiter ist vereinbart, dass die Union auch die bisherigen „gleichstellungspolitischen Akteure“ unterstützen wird, also die NGOs, die die Agenda der „Geschlechtervielfalt“ vertreten, u. a. den (mit 2 Mio. Euro jährlich geförderten) Deutschen Frauenrat. Das heißt, CDU und CSU stellen einen Blankoscheck für NGOs aus, die als „gleichstellungspolitische Akteure“ die parteipolitischen Interessen der Bundesstiftung, also grün-rote Inhalte angeblicher Gleichstellungspolitik, verbreiten.

Dieser Sinneswandel mutet zumindest erklärungsbedürftig an, hatte die Unionsfraktion doch jüngst mit 551 Fragen an die Rot-Grün-Regierung u. a. eine „Schattenstruktur“ staatlich geförderter Organisationen angeprangert, „die mit staatlichen Geldern indirekt Politik betreibt“.

Warum ignoriert die Union ihren Erfolg im Einsatz für die Frauenrechte?

Eine weitere mit der SPD bereits geeinte Verabredung lautet: „In Umsetzung der Istanbul-Konvention und der EU-Gewaltschutzrichtlinie begleiten wir eng die Umsetzung des Gewalthilfe­gesetzes und entwickeln die Gewaltschutzstrategie des Bundes zu einem Nationalen Aktionsplan fort.“ (S. 69) Dass die Union die aktuelle, transgenderideologisch ausgerichtete Gewaltschutz­strategie der Ampelregierung mit weiterentwickeln will, zeigt: Auch hier geht sie von einer Beibehaltung des SBGG aus, auf dessen Geschlechtsdefinition die Gewaltschutzstrategie beruht.

Dass sich CDU und CSU auf diese Vereinbarung einlassen, zeugt von frauenverachtender Ignoranz. Spätestens seit der erfolgreichen Intervention der Union beim jüngst verabschiedeten Gewalthilfegesetz wissen die Unionsfrauen, die die Auseinandersetzung führten: Die sog. Gewaltschutzstrategie des Bundes bezieht sich auf eine nicht rechtsgültige Interpretation der Istanbul-Konvention. Für diese manipulative Strategie der alten Bundesregierung wurden die Istanbul-Konvention und deren Grundlage, die UN-Frauenrechtskonvention (CEDAW), im Sinne der Transgenderideologie umgedeutet. Und zwar von „gleichstellungspolitischen Akteuren“, die Sie nun in Ampelmanier aber offenbar weiter finanziell hätscheln wollen.

Deren Finanzierung wird aber von (nicht geförderten!) Frauenrechtsorganisationen in Frage ge­stellt, die sich dafür einsetzen, dass CEDAW und Istanbul-Konvention nicht steuerfinanziert ausge­hebelt werden. So hat die Initiative Geschlecht zählt eine Überprüfung der Fördermittelvergabe durch das Bundesfamilienministerium (20. WP) an „gleichstellungspolitische Akteurinnen“ angestoßen.

Will auch die Union die gesetzlich Versicherten für Transgender-OPs zahlen lassen?

Die AG „Gesundheit und Pflege“ formulierte im Verhandlungspapier den ebenfalls bereits geeinten Satz: „Medizinische Vorsorge, Behandlung und Forschung gestalten wir geschlechts- und diversitätssensibel aus und berücksichtigen dabei die speziellen Bedürfnisse in jedem Lebens­abschnitt aller Geschlechter.“ (S. 58) Das heißt nichts Gutes für Frauen und Mädchen sowie für Eltern und Kinder/Jugendliche.

„Diversitätssensibilität“ meint im politisch-medizinischen Zusammenhang meist ein Denken innerhalb der Theorie der Gender Identity. Und wenn in „jedem Lebensabschnitt“ die Bedürfnisse „aller Geschlechter“ berücksichtigt werden sollen, lässt sich das übersetzen mit: Pubertätsblocker und das Drängen von lesbischen Mädchen und schwulen Jungen in eine angebliche „Transidentität“ sind für CDU/CSU diskutabel und beizubehalten. Das entspricht den Inhalten, die die neue, trans­genderideologisch geprägte „S2k-Leitlinie für die Diagnose und Behandlung von Geschlechts­inkongruenz und Geschlechtsdysphorie im Kindes- und Jugendalter“ im Widerspruch zum Beschluss des Deutschen Ärztetages vertritt.

„Die gesundheitlichen Belange der queeren Community müssen besonders berücksichtigt werden“, heißt es weiter in einer noch nicht geeinten Formulierung der SPD (S. 59).

Viel deutet darauf hin, dass die CDU/CSU in diesem Sinne das Krankenkassengesetz weiterführen will, das derzeit vom Gesundheitsministerium mit dem Gemeinsamen Bundesausschuss vorbereitet wird. Darin will man den gesetzlich Versicherten die Kosten für alle medizinischen Behandlungen von Personen aufbürden, die eine „Genderidentität“ wie „trans(gender)“, „nicht-binär“ usw. für sich in Anspruch nehmen. Diese Behandlungen hätten dann keine Befunde zur Grundlage, denn sich in einer „Genderidentität“ zu fühlen darf medizinisch nicht (mehr) als Störung angesehen werden.

Sexuelle Orientierung und geschlechtliche Identität ins Grundgesetz?

Unter „Maßnahmen gegen Gewalt gegen Frauen und schutzbedürftige Personen und Stärkung von Frauenrechten“ thematisiert die AG „Innen, Recht, Migration und Integration“ eine Reform des Grundgesetzes und des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG). Bereits vereinbart wurde die Reform des AGG: „Benachteiligungen und Diskriminierungen sind Gift für gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung. Deshalb stärken und verbessern wir den Diskriminierungsschutz.“ (S. 11) Was das konkret bedeutet, bleibt nebulös.

In einem noch nicht geeinten Punkt fordert die SPD, das Grundgesetz in Art. 3 um die Diskrimi­nierungsgründe „sexuelle Orientierung“ und „geschlechtliche Identität“ zu ergänzen, ohne diese Begriffe zu definieren. Sie vermeidet damit geschickt den Wortlaut ihrer eigentlichen Ampelparteien-Forderung: „sexuelle Identität ins Grundgesetz“.

So gaukelt die SPD der Union vor, es ginge bei „sexueller Orientierung“ um homo- und bisexuelle Frauen und Männer. Aber auch hier wird auf dem SBGG aufgebaut, denn solange dieses gilt, bleibt „sexuelle Orientierung“ im Recht transgenderideologisch definiert. Das heißt, der Begriff bezöge sich weiter auf „Gender-“ bzw. „Geschlechtsidentitäten“ und nicht auf das (körperliche) Geschlecht. Jeder Mann könnte sich dann nicht nur durch das SBGG, sondern grundgesetzlich geschützt selbst zu einer „lesbischen Frau“ und sein Genital zum „Lady dick“ erklären. Was das für lesbische Frauen und Mädchen heute schon bedeutet, erläutert das FrauenLesbenNetz hier.

Wir appellieren an die Führung von CDU und CSU:

Stehen Sie zu Ihrem Wort. Schaffen Sie das Selbstbestimmungsgesetz ab und setzen Sie durch, dass die Rechtskategorie Geschlecht wieder auf den körperlichen Merkmalen beruht, die weiblich von männlich unterscheiden. Hören Sie auf, die Verachtung der Ampelparteien für die Frauen- und Kinderrechte zu kopieren.

Zeigen Sie, dass Sie persönlich und dass Ihre Parteien ernst genommen werden können.

Mit freundlichen Grüßen
Hilde Schwathe
– für die Initiative Geschlecht zählt