Stellungnahme zum Gewalthilfegesetz

28. Januar 2025 | Als PDF

STELLUNGNAHME

zum „Entwurf eines Gesetzes für ein verlässliches Hilfesystem bei geschlechtsspezifischer und häuslicher Gewalt“1 (Gewalthilfegesetz – GewHG)
der Fraktionen SPD und Bündnis 90/Die Grünen vom 03.12.2024

Das sog. Gewalthilfegesetz (GewHG) stelle „einen entscheidenden Schritt zur nachhaltigen und vollständigen Umsetzung der Istanbul-Konvention dar“, führt die Regierung an.2

Träfe dies zu, wäre ihr Entwurf darauf ausgelegt, Frauen vor allen Formen von Gewalt zu schützen und Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt zu verhüten, zu verfolgen und zu beseitigen. Somit würde das Gesetz die Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau und eine echte Gleichstellung von Frauen und Männern fördern, auch durch die Stärkung der Rechte der Frauen. So definiert nämlich Art. 1 der Istanbul-Konvention, des Übereinkommens des Europarates zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt, deren Zweck.

Darum geht es in dem Gesetzentwurf jedoch nicht. Das Gesetz soll vielmehr auch männlichen Personen einen Rechtsanspruch auf Zugang zum Hilfesystem und damit Frauenhäusern sichern.

Dem GewHG in der vorgeschlagenen Fassung zuzustimmen hieße, bewusst mitzuverantworten, dass das Menschenrecht von Frauen auf Hilfe bei und Schutz vor geschlechtsbedingter Gewalt nicht nur verletzt, sondern endgültig ausgehebelt würde. Es hieße, bewusst mitzutragen, dass die Zufluchtsstätten für betroffene Frauen und ihre Kinder, die Frauenhäuser, parteipolitisch-ideologischen Interessen geopfert werden.

Mit dem Hinweis auf die Istanbul-Konvention im Gesetzentwurf bezieht sich die Regierung nämlich nicht auf das völkerrechtlich bindende Übereinkommen. Rechtlich verbindlich ist die Istanbul-Konvention nur in ihren offiziellen Fassungen Englisch und Französisch. Die Regierung bezieht sich aber auf Interpretationen deutscher Organisationen, die die klaren Differenzierungen und Definitionen dieser Fassungen im Sinne der Transgender-Ideologie uminterpretieren und verfälschen. Hierbei täuscht sie darüber hinweg, dass diese Auslegungen keinerlei Rechtskraft besitzen.

Dabei führt die Bundesregierung sowohl das Parlament als auch die Bevölkerung offenbar gezielt hinters Licht. Adressiert werden damit vor allem die Abgeordneten der Oppositionsparteien, die unter Druck gesetzt werden: Sie sollen dem GewHG zustimmen, damit die Rumpf-Ampelregierung es noch vor ihrem endgültigen Abtritt durchsetzen und als Erfolg bei ihrer Wahlklientel präsentieren kann.

Das Gesetz ist abzulehnen.

1. Das Gesetz läuft dem Zweck der Istanbul-Konvention zuwider

Das GewHG fokussiert weder die Zielgruppe noch die Ziele der Istanbul-Konvention. Mit dem Begriff „geschlechtsspezifisch“ im Titel wird lediglich suggeriert, es handele sich um ein verläss¬liches Hilfesystem für Frauen, die aufgrund ihres Geschlechts von Gewalt betroffen sind.

Bei dem Gesetz geht es aber nicht um die geschlechtsbedingten Menschenrechte von Frauen. Es will nämlich jedem Menschen, „der von geschlechtsspezifischer oder häuslicher Gewalt betroffen ist“, bundesweit den kostenfreien und niedrigschwelligen Zugang zu Schutz- und Beratungseinrichtungen sicherstellen (§ 1), also zu dem „bedarfsgerechten Netz an Schutz-, Beratungs- sowie Unterstützungsangeboten“, das laut Gesetz entstehen soll. Als „geschlechtsspezifische“ Gewalt benennt der Entwurf dabei jede Gewalthandlung, die sich gegen eine Person aufgrund „ihres Geschlechtes oder ihrer Geschlechtsidentität“ richtet (§ 2).

Indem „Geschlecht“ und „Geschlechtsidentität“ gleichgesetzt werden, sind Männer mit einbezogen. Für ihren Rechtsanspruch müssten sie nur eine von ihrem (körperlichen) Geschlecht unabhängige „Geschlechtsidentität“ (Genderidentität) anführen.

Das Gewalthilfegesetz dient folglich nicht dem Schutz von Frauen und deren Kindern vor männlicher Gewalt, wie ihn die Istanbul-Konvention intendiert.

2. Geschlecht wird mit „Geschlechtsidentität“ gleichgesetzt

Im Gesetzentwurf wird die Gewalt, die Frauen und Mädchen geschlechtsbedingt erleben, gleichgesetzt mit der Gewalt, die Männer aufgrund einer unabhängig von ihrem Geschlecht gewählten „Geschlechtsidentität“ erfahren.

Geschlechtsbedingte Gewalt erleben Frauen und Mädchen jedoch, weil sie Frauen und Mädchen sind, das heißt aufgrund ihres (körperlich-biologischen) Geschlechts und nicht als „eine Person“, die im Personenstandsregister den Geschlechtseintrag „weiblich“ wählt.

Eine „Geschlechtsidentität“ wählen Männer, die als „Transgender“ oder „trans*“ ihren amtlichen Geschlechtseintrag von „männlich“ in „weiblich“ ändern und als „Transfrauen“ angeblich die gleiche geschlechtsspezifische Gewalt erleben wie Frauen.

Eine „Geschlechtsidentität“ wählen aber auch die Männer, die sich aufgrund einer anderen der mittlerweile ca. 70 queeren „Geschlechtsidentitäten“ als „non-binär“ verstehen und ihren Geschlechtseintrag in „divers“ oder „ohne Eintrag“ ändern.

Weder „Transgender“/„trans*“ noch „non-binär“ oder eine andere queere „Geschlechtsidentität“3 (korrekt: Genderidentität) ist ein (körperlich-biologisches) Geschlecht. Es handelt sich um ideologisch konstruierte „Identitäten“, die mittels Geschlechterklischees stereotypisierte Geschlechterrollen definieren.

Die Vermengung von „Geschlechtsidentität“ (Genderidentität) und Geschlecht hat schwerwiegende Auswirkungen auf die Sicherheit von Frauen und Mädchen und berücksichtigt die besonderen Bedürfnisse weiblicher Gewaltbetroffener nicht in angemessener Weise. Darauf wies auch die UN-Sonderbericht­erstatterin für Gewalt gegen Frauen und Mädchen, Reem Alsalem, Deutschland bereits hin.4

3. Das Gesetz würde Männern Rechtsanspruch auf Zugang zu Frauenhäusern sichern

Die Frauenhäuser wurden ab den 1970er-Jahren von Feministinnen der Zweiten Frauenbewegung gegründet als unabhängige Zufluchtsstätten für von geschlechts­bedingter Gewalt betroffene Frauen mit ihren Kindern – und nur für diese. Diese Zufluchtsstätten sollen mit ihrem Sinn und Zweck jetzt parteipolitisch-ideologischen Zielen geopfert werden. Fatalerweise wirken daran auch Mitarbeiterinnen von Frauenhäusern als „Steigbügelhalterinnen“ des BMFSFJ mit.

Mindestens billigend in Kauf genommen wird dabei von den Akteurinnen und Akteuren die Gefahr einer erneuten Viktimisierung und Retraumatisierung der Frauen, die mit ihren Kindern vor männlicher Gewalt in Frauenhäuser flüchten und dort mit Männern konfrontiert wären. Geschlechtsbasierte Gewalt erfahren Frauen in der Regel durch ihre männlichen Partner oder männlichen Angehörigen. Die Kinder dieser Frauen mussten oft direkt miterleben, was Männer ihren Müttern antun. Ihnen eine potenzielle Konfrontation mit Männern zuzumuten, hieße, auch sie u. U. traumaassoziierten Situationen auszusetzen.5

Frauen könnten es im Frauenhaus nicht einmal mehr benennen, wenn sie sich von männlichen Mitbewohnern bedroht fühlen, ohne Gefahr zu laufen, durch ebendiese angezeigt zu werden. Grundlage dafür ist das mit einem Bußgeld bis zu 10.000 Euro bewehrte sog. Offenbarungsverbot im sog. Selbstbestimmungsgesetz.

Es handelt sich um Gaslighting, eine Form von Manipulation und psychischer Gewalt, wenn Frauen dazu gebracht werden, so zu tun, als sei eine männliche Person eine Frau. In gleicher Weise ist es als Manipulation und Gewalt einzustufen, wenn Mütter ihren Kindern solch ein Gaslighting antun sollen, indem sie diesen ihre Wahrnehmung von männlichen Personen absprechen sollen.

Mindestens billigend in Kauf genommen wird auch, dass Frauen sich als Gewaltbetroffene quasi selbst ausgrenzen und Frauenhäuser meiden, wenn sie diese Schutzräume vielleicht mit männlichen Personen teilen müssen. Wenn auch nur die Möglichkeit besteht, dort auf männliche Personen zu treffen, würden Frauen, die mit ihren Kindern vor männlicher Gewalt flüchten (müssen), diese Orte mutmaßlich weniger aufsuchen.

Das Hausrecht der Betreiberinnen von Frauenhäusern würde durch den im GewHG verankerten Rechtsanspruch auf Zugang vollständig ausgehebelt. Der Schutz von Frauen vor Gewalt würde folglich minimiert statt wie in der Istanbul-Konvention gefordert ausgebaut.

4. Das Gewalthilfegesetz ist ein trojanisches Pferd

Das GewHG wird de facto als Vehikel genutzt, um für den Gewaltschutz konkret festzuschreiben, was mit dem Gesetz zur „Selbstbestimmung des Geschlechts“ (SBGG) grundsätzlich eingeführt wurde: das transgenderideologische Konzept der Gender Identity.6 Jeder Mann kann nun hürdenlos seinen amtlichen Geschlechtseintrag von „männlich“ in „weiblich“ ändern und so in die soziale Gruppe der Frauen eindringen und Zugang zu deren Frei- und Schutzräumen einfordern. Das SBGG trat am 1. November 2024 in Kraft, nur wenige Wochen später wurde der Regierungs­entwurf zum sog. GewHG vorgelegt.

Mit dem GewHG wird der Kreis der potenziell von „geschlechts­spezifischer Gewalt“ Betroffenen noch vergrößert um alle Männer, die sich irgendeiner der mittlerweile ca. 70 „Geschlechts­identitäten“ des LGBTIQ-Spektrums zuordnen. Der Entwurf bezieht sich nämlich auf transgender­ideologische, nicht rechtsgültige Umdeutungen von zentralen Passagen und Schlüsselbegriffen der Istanbul-Konvention.

Angesichts der Tatsache, dass sowohl die Istanbul-Konvention als auch die CEDAW nur in ihren offiziellen Amtssprachen, zu denen Deutsch nicht gehört, rechtlich verbindlich sind, könnte bei diesem Vorgehen auch eine absichtliche Täuschung unterstellt werden.

5. Die Satelliten-Organisationen des Familienministeriums und das Deutsche Institut für Menschenrechte

Bereitgestellt und vertreten werden die verfälschten Interpretationen von Istanbul-Konvention und CEDAW vor allem von drei transgenderaktivistisch ausgerichteten Interessengruppen, die im Kontext des Gewalthilfegesetzes als eine Art Sprachrohr des BMFSFJ agieren. Alle drei werden von diesem Ministerium gefördert und arbeiten eng mit ihm zusammen. Alle drei sind im Lobbyregister des Deutschen Bundestags gelistet.

Bei den Organisationen handelt es sich um:

a) das Bündnis Istanbul Konvention, einen beim Deutschen Frauenrat e.V. koordinierten Zusammenschluss von diversen Frauen- und Trans*-Organisationen, die auch jede für sich vom BMFSFJ gefördert werden;

b) die CEDAW-Allianz Deutschland, einen vom Deutschen Frauenrat e.V. getragenen Zusammenschluss von diversen Frauen- und Trans*-Vereinen sowie Sozialverbänden. Mehrere der zugehörigen Organisationen sind gleichzeitig Mitglieder im Bündnis Istanbul Konvention;

c) den Verein UN Women Deutschland e.V. (siehe unten).

Die Namen der drei Interessengruppen können leicht den Eindruck erwecken, diese besäßen ein politisches Mandat für ihre Arbeit zu Istanbul-Konvention und CEDAW. Auch der Duktus, in dem sie ihre Dokumente abfassen, wirkt so. Lediglich die salvatorische Klausel, die sie ihren Texten meist voranstellen, macht deutlich, dass es sich bei diesen Schriften allein um Forderungen der jeweiligen Verfasserinnen gemäß ihrem jeweiligen Aufgabengebiet und ihrer Zielsetzung handelt. Dennoch tragen diese Gruppen wie Satelliten des BMFSFJ die Ideologie der Gender Identity in die Zivilgesellschaft.

Ein weiterer Akteur ist das Deutsche Institut für Menschenrechte (DIMR) als die gesetzlich verankerte, unabhängige Nationale Menschenrechtsinstitution Deutschlands. Um unabhängig agieren zu können, wird das Institut vorrangig aus öffentlichen Mitteln, also dem Bundeshaushalt, finanziert. Seine Aufgabe ist es u. a., dazu beizutragen, „dass die Menschenrechte aller Menschen in Deutschland tatsächlich beachtet und verwirklicht werden“.7 Eigens gefördert vom BMFSFJ, hat im Institut im November 2022 die neu eingerichtete „unabhängige Berichterstattungsstelle geschlechtsspezifische Gewalt“ ihre Arbeit aufgenommen.

6. Das Gewalthilfegesetz würde die geschlechtsbedingten Menschenrechte von Frauen und Mädchen untergraben

In der CEDAW als einem der neun internationalen Menschenrechtsverträge ist das Recht auf die Beseitigung jeder Form von „Diskriminierung der Frau“ als Menschenrecht der Frau verbrieft. Die daraus erwachsenden Rechte für Frauen sind damit geltendes Recht auch in Deutschland. Die CEDAW definiert Geschlechterklischees (Gender), die Frauen aufgrund ihres Geschlechts zugeschrieben werden, als einen zentralen Diskriminierungsgrund8, der beseitigt werden muss.

Die im GewHG mit „Geschlecht“ gleichgesetzte, ideologisch begründete „Geschlechtsidentität“ basiert jedoch genau auf solchen Geschlechterklischees9, die folglich nicht wie gefordert beseitigt, sondern sogar rechtlich zementiert würden. Damit würden die geschlechtsbasierten Menschen­rechte der Frau verletzt bzw. ausgehebelt.

Die Istanbul-Konvention greift diesen Diskriminierungsgrund aus der CEDAW auf und definiert geschlechtsbedingte Gewalt gegen Frauen analog.

Das GewHG würde sich über diese eindeutigen Definitionen hinwegsetzen und Zweck und Ziel der Istanbul-Konvention in Deutschland ins Gegenteil verkehren. Statt die Rechte der Frauen zu stärken, würden diese Rechte untergraben.

Aus denselben Gründen würde mit dem GewHG auch der gleichstellungspolitische Auftrag aus Art. 3 des Grundgesetzes ad absurdum geführt.10

7. Was in der Istanbul-Konvention und der CEDAW wirklich steht

Vom Europarat wurde der Istanbul-Konvention bei deren Beschluss 2011 ein Erläuternder Bericht beigegeben. Daraus geht klar die Differenzierung der Istanbul-Konvention zwischen Geschlecht (sex) und Geschlechtsrolle- oder -stereotyp (gender) hervor:

„In the context of this Convention, the term gender, based on the two sexes, male and female, explains that there are also socially constructed roles, behaviours, activities and attributes that a given society considers appropriate for women and men. Research has shown that certain roles or stereotypes reproduce unwanted and harmful practices and contribute to make violence against women acceptable. To overcome such gender roles, Article 12 (1) frames the eradication of prejudices, customs, traditions and other practices which are based on the idea of the inferiority of women or on stereotyped gender roles as a general obligation to prevent violence. Elsewhere, the Convention calls for a gendered understanding of violence against women and domestic violence as a basis for all measures to protect and support victims. This means that these forms of violence need to be addressed in the context of the prevailing inequality between women and men, existing stereotypes, gender roles and discrimination against women in order to adequately respond to the complexity of the phenomenon. The term ‘gender’ under this definition is not intended as a replacement for the terms ‘women’ and ‘men’ used in the Convention.11

In seinen „Questions and answers” zur Istanbul-Konvention hat der Europarat dies 2023 noch einmal bekräftigt:

Why does the Istanbul Convention contain a definition of ‘gender’?
The convention places the obligation to prevent and combat violence against women within the wider framework of achieving equality between women and men. The drafters thus refer to the relations between women and men, their roles and attributes in society, and thus considered it important to offer a definition of the term ‘gender’. The purpose of this term is not to replace the biological definition of ‘sex’, nor the terms ‘women’ and ‘men’, but to emphasise how much inequalities, stereotypes and – consequently – violence do not originate from biological differences, but rather from a social construct, namely from attitudes and perceptions of how women and men are and should be in society.“12

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In Deutschland wurde die Istanbul-Konvention rechtlich verankert mit dem „Gesetz zu dem Übereinkommen des Europarats vom 11. Mai 2011 zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt“ vom Juli 2017. Es trat am 1. Februar 2018 in Kraft.

In diesem Gesetz wird der Text der Istanbul-Konvention in drei Sprachfassungen parallel wiedergegeben: in den beiden offiziellen, rechtsgültigen Fassungen Englisch und Französisch und in einer nicht rechtsgültigen, aber amtlichen Übersetzung ins Deutsche.

Im Gesetzesverfahren wurde eine Denkschrift beigefügt, die neben Ziel und Zweck der Istanbul-Konvention auch die in dieser enthaltenen Schlüsselbegriffe definiert.13 Auch darin wird mehrfach klargestellt, dass es mit dem Schutz von Frauen vor geschlechtsspezifischer Gewalt explizit um einen Beitrag zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau geht, mit der eine echte Gleichstellung von Frauen und Männern und eine Stärkung der Rechte von Frauen erreicht werden soll.14 Der Begriff „geschlechtsspezifische Gewalt“ wird synonym zu seiner Verwendung in der CEDAW gebraucht.

Erläutert wird in der deutschen Denkschrift weiter, dass der englische Begriff gender, der nicht als „soziales Geschlecht“ oder „Geschlechterrolle“, sondern inkorrekt als „Geschlecht“ ins Deutsche übersetzt wird, zu verstehen ist als „gesellschaftlich geprägte Rollen, Verhaltensweisen, Tätigkeiten und Merkmale, die eine bestimmte Gesellschaft als für Frauen und Männer angemessen ansieht“. Beispielhaft wird erläutert, wie und warum gender den elementaren Grund für die Diskriminierung von Frauen darstellt, den es zu beseitigen gilt.

Daraus folgend wird dargelegt, dass der Begriff „geschlechtsspezifisch“ auf diesen Zusammenhang und damit ausschließlich bezogen auf Frauen als weibliche Personen zu verstehen ist, eben weil gender-based aus dem englischen Originaltext inkorrekt als „geschlechtsspezifisch“ anstelle von „geschlechtsrollenbasiert“ übersetzt wurde.

Explizit wird vor allem auf die Definition des Begriffs „Frau“ hingewiesen:

„In Artikel 3 Buchstabe f [der Istanbul-Konvention] wird festgestellt, dass der Begriff ‚Frauen‘ alle weiblichen Menschen umfasst, also auch Mädchen als weibliche Personen unter 18 Jahren. Die hier getroffene Inklusivdefinition ist insoweit erforderlich, als auch die Gewalt, die gegen Personen weiblichen Geschlechts ausgeübt wird, keiner Altersgrenze unterliegt.“

Erläutert wird weiter:

„Besondere Maßnahmen, die zur Verhütung von geschlechtsspezifischer Gewalt und zum Schutz von Frauen vor solcher Gewalt erforderlich sind, gelten nicht als Diskriminierung im Sinne dieses Übereinkommens.“15

8. Umdeutung und Verfälschung von Sinn und Zweck der Istanbul-Konvention

Die Rolle der Satelliten-Organisationen des Bundesfamilienministeriums

Wie die Definitionen der Begriffe „Frau“, „Gender“ und „geschlechtsspezifische Gewalt“ durch die benannten Satellitenorganisationen des BMFSFJ umgedeutet werden, zeigt die folgende exemplarische Auswahl an Texten.

a) Bündnis Istanbul Konvention

Im Dezember 2023 verabschiedete das Bündnis eine zweiseitige eigene, transgender­ideologisch ausgerichtete Definition von „geschlechtsspezifischer Gewalt“.16 Die Erklärung gipfelt in der Formulierung:

„Entsprechend des Auftrags [sic] und dem Sinn und Zweck der Istanbul-Konvention muss die Präambel, in der es heißt ‚in Anerkennung der Tatsache, dass Gewalt gegen Frauen als geschlechtsspezifische Gewalt strukturellen Charakter hat, sowie der Tatsache, dass Gewalt gegen Frauen einer der entscheidenden sozialen Mecha­nismen ist, durch den Frauen in eine untergeordnete Position gegenüber Männern gezwungen werden;‘ so verstanden werden, dass sich dieser [sic] auf all jene Personen erstreckt, die nicht dem endo-cis männlichen Geschlecht angehören (…)“

Mit „endo-cis männlichen“ Personen sind in der Transgender-Ideologie Männer gemeint, die ihr Mannsein akzeptieren. Alle anderen männlichen Personen, die für sich eine andere „Genderidentität“ als „endo-cis männlich“ in Anspruch nehmen, fallen dem Bündnis nach als „Betroffene“ unter die Istanbul-Konvention.

Das Bündnis Istanbul Konvention missachtet damit nicht nur die klaren Definitionen in Istanbul-Konvention und CEDAW. Vielmehr wird hier von einer transgenderaktivistischen Lobbyorganisation, die mit erheblichen Summen durch das BMFSFJ gefördert wird, Sinn und Zweck beider Übereinkommen umgedeutet, ohne dass sie dafür einen politischen Vertretungsauftrag hätte.

Der Entwurf zum GewHG spiegelt diese Definition von „Geschlechtsspezifik“ bei Gewalt.

b) CEDAW-Allianz Deutschland

Die Istanbul-Konvention ist ohne die UN-Frauenrechtskonvention nicht zu denken. Sie bezieht sich in ihren zentralen Aussagen konkret auf das „Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau“ (Convention on the Elimination of All Forms of Discrimination Against Women, CEDAW) als einen der UN-Menschenrechtsverträge.

Die Lobbyorganisation CEDAW-Allianz Deutschland unter dem Dach des Deutschen Frauenrats hat den Text der CEDAW in ihren Veröffentlichungen eigenmächtig im Sinne der Transgenderideologie verfälscht, um männliche Personen in diese einzubeziehen. Exemplarisch lässt sich dies an deren vierseitigem Faktenblatt „Frauenrechte sind Menschenrechte. Die UN-Frauenrechtskonvention“ vom November 2023 zeigen, auf dessen erster Seite es heißt:

„CEDAW verbietet Diskriminierung aufgrund des Geschlechts und der Geschlechtsidentität. Frauen* und Mädchen* müssen in allen Lebensbereichen dieselben Rechte und Chancen erhalten wie Männer* und Jungen*.“

„* Die CEDAW-Allianz Deutschland verwendet bei der geschlechtsbezogenen Be- und Kennzeichnung von Personengruppen das sogenannte Sternchen (*), um Geschlechterstereotype zu überwinden und vielfältige Geschlechteridentitäten zu berücksichtigen.“17

Die CEDAW-Verfälschungen durch die CEDAW-Allianz finden sich auf der Website der Initiative Geschlecht zählt ausführlich dokumentiert.18

c) UN Women Deutschland e.V.

Der Verein gibt im Text seiner Website an, er vertrete „Frauen dieser Welt gegenüber der deutschen Politik“ und sammele Spenden für seine internationale Arbeit.19 Zwar behauptet er, sich für die Gleichstellung der Geschlechter und die „Stärkung von Frauen und Mädchen“ einzusetzen und jede Form der Diskriminierung auf Basis des Geschlechts als eine Verletzung der Menschenrechte anzusehen. Im Weiteren wird allerdings nicht mehr von „Mädchen und Frauen“ gesprochen, die die soziale Gruppe von weiblichen Personen meint, sondern im Transgender-orientierten Sprachmuster von „jedem Mädchen und jeder Frau“. Dies bedeutet, dass auch Jungen und Männer, die für sich beanspruchen, „Mädchen“ bzw. „Frauen“ zu sein, mit gemeint sind.

Diese Lobbyorganisation tritt eher mit Aktionen als mit Veröffentlichungen in Erscheinung, aber wenn doch, wird der Genderstern (*) verwendet.

Die Rolle des Deutschen Instituts für Menschenrechte und seine Definitionen von „Frau“ und „geschlechtsspezifischer Gewalt“

Im Dezember 2024 legte die „Berichterstattungsstelle geschlechtsspezifische Gewalt“ des Deutschen Instituts für Menschenrechte (DIMR) ihren ersten Periodischen Bericht „Monitor Gewalt gegen Frauen – Umsetzung der Istanbul-Konvention in Deutschland“ vor. Darin wird „Frau“ wie folgt definiert:

„Der im Monitor Gewalt gegen Frauen verwendete Begriff ‚Frau‘ erstreckt sich explizit auch auf Mädchen unter 18 Jahren (siehe Art. 3 f) Istanbul-Konvention). Zudem umfasst dieser entsprechend der Istanbul-Konvention cis und trans Frauen und Mädchen, intergeschlechtliche und nicht-binäre Personen“.20

Ergänzt wird:

„Die Bezeichnung „Frau“ wird im Monitor Gewalt gegen Frauen ohne Asterisk (*) verwendet. Sie erfasst alle Menschen, die sich als Frau identifizieren.“21

Die vom BMFSFJ geförderte, behauptet unabhängige Berichterstattungsstelle, angesiedelt in einer aus Bundesmitteln finanzierten nationalen Institution, definiert also in einem offiziellen Dokument den Begriff „Frau“ und den Geltungsbereich der Istanbul-Konvention eigenmächtig im Sinne der Transgenderideologie um.

Der Begriff „geschlechtsspezifische Gewalt“ wird analog zur Definition der transgenderideologisch ausgerichteten Lobbyorganisation Bündnis Istanbul Konvention ausgelegt.

Der Begriff „Geschlecht“ (gemeint ist die inkorrekte Übersetzung von gender) sei, so argumentiert das DIMR, nicht ausschließlich im biologischen Sinn zu verstehen, sondern knüpfe an die gesellschaftlich geprägten Rollen, Verhaltens­weisen, Tätigkeiten und Merkmale an, die eine Gesellschaft als jeweils für Frauen und Männer angemessen ansieht. Mit dieser Argumentation weist es jedoch nicht etwa darauf hin, dass hier die Geschlechterklischees gemeint sind, die als Diskriminierungsgrund zu beseitigen sind. Vielmehr rechtfertigt es darüber, dass die Kategorie Geschlecht gleichgesetzt wird mit „Geschlechtsidentität“ (Gender Identity).

Von den Juristinnen und Juristen des Instituts wäre zu erwarten, dass sie zu achten wissen, wie der Begriff „Gender“ in Istanbul-Konvention und CEDAW definiert und benutzt wird. Nämlich als „analytische Kategorie zur Beschreibung der sozialen Qualität von Unter­scheidungen aufgrund des Geschlechts, der Machtstrukturen in einer bestimmten Gesell­schaft zwischen Männern und Frauen und der Rollen, Möglichkeiten und Beschränkungen in der Gesellschaft, die damit verbunden sind, als Mann oder Frau geboren zu sein“.22 [20]

Das DIMR benutzt den Begriff Gender jedoch offenbar bewusst aktivistisch und damit der politischen Agenda des BMFSFJ entsprechend.

Dieses Vorgehen könnte auch als eine gezielte Rechtsbeugung durch eine demokratisch legitimierte Institution des Bundes und als Amtsmissbrauch bezeichnet werden.

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Kurz vor der Abstimmung über das Selbstbestimmungsgesetz im Deutschen Bundestag appellierte die UN-Sonderberichterstatterin Reem Alsalem in einem Brief vom April 2024 an Außenministerin Annalena Baerbock:

“The existence of safe spaces for women who are victims of sexual and gender-based violence, such as shelters, has traditionally been an effective preventive measure against re-victimization. Therefore, the negative effects that mandatory sharing of highly private spaces (…) with individuals born male, irrespective of how they may identify, can have on victims of these violence are significant.”

Ebendies ist für das Gewalthilfegesetz grundsätzlich zu beachten.


  1. Bundestags-Drucksache 20/14025, https://dserver.bundestag.de/btd/20/140/2014025.pdf. ↩︎
  2. https://www.bundesregierung.de/breg-de/bundesregierung/gesetzesvorhaben/gewalthilfegesetz-2321756. ↩︎
  3. Zur Definition von „Geschlechtsidentität“ (Genderidentität) siehe https://geschlecht-zaehlt.de/informationen/definitionen-relevanter-begriffe/#genderidentitaet-geschlechtsidentitaet. ↩︎
  4. https://www.ohchr.org/en/press-releases/2024/10/germany-gender-self-id-law-fails-address-implications-women-and-girls-says. ↩︎
  5. In die meisten Frauenhäusern können Kinder zwischen 0 und 18 Jahren mit aufgenommen werden, männliche Kinder jedoch meist nur bis zum Alter von 14 Jahren. Die Leiterin eines der Frauenhäuser in Hannover brachte das Warum in einem taz-Interview 2022 auf den Punkt: Selbst bei der Altersbeschränkung für mit aufzunehmende Söhne von Frauen sei größte Sorgfalt geboten, denn „ein 14- oder 16-Jähriger [kann] schon sehr erwachsen wirken“. Es ginge darum, „eine Retraumatisierung anderer Bewohnerinnen zu verhindern“. https://taz.de/Frauenhaus-Chefin-ueber-Gewalt-an-Frauen/!5893992/. ↩︎
  6. Siehe https://geschlecht-zaehlt.de/stellungnahme-zum-selbstbestimmungsgesetz-entwurf/. ↩︎
  7. https://www.institut-fuer-menschenrechte.de/menschenrechtsschutz. ↩︎
  8. UN-Frauenrechtskonvention (CEDAW), Art. 1, https://www.frauenrechtskonvention.de/uebereinkommen-zur-beseitigung-jeder-form-von-diskriminierung-der-frau-cedaw-2234/. ↩︎
  9. https://geschlecht-zaehlt.de/informationen/definitionen-relevanter-begriffe/#Geschlechtsidentitaet_Gender_identity. ↩︎
  10. https://geschlecht-zaehlt.de/wp-content/uploads/2024/05/Silke-Martini-Der-Wolf-im-Schafspelz-fuer-die-Frauenrechte.pdf. ↩︎
  11. Council of Europe: Explanatory Report to the Council of Europe Convention on preventing and combating violence against women and domestic violence (Treaty Series – No. 210), Istanbul, 11.05.2011 (Hervorhbg. durch d. Verf.), https://rm.coe.int/1680a48903. ↩︎
  12. https://rm.coe.int/istanbul-conventio-questions-and-answers/16808f0b80, S. 6. ↩︎
  13. Denkschrift zu dem Übereinkommen des Europarats vom 11. Mai 2011 zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt, Auszug aus der Bundestagsdrucksache 18/12037 (S. 45 ff.), https://dserver.bundestag.de/btd/18/120/1812037.pdf. ↩︎
  14. Ebd., S. 48. ↩︎
  15. Ebd., S. 49. ↩︎
  16. https://www.buendnis-istanbul-konvention.de/wp-content/uploads/2024/01/Definition-geschlechtsspezifische-Gewalt-des-BIK-final.pdf. ↩︎
  17. https://www.cedaw-allianz.de/wp-content/uploads/2024/10/Faktenblatt_UN-Frauenrechtskonvention-CEDAW.pdf. ↩︎
  18. Siehe https://geschlecht-zaehlt.de/informationen/strategien/#CEDAW_Allianz_Deutschland_verfaelscht_
    Text_der_UN-Frauenrechtskonvention_CEDAW. ↩︎
  19. https://unwomen.de/ueber-un-women/. ↩︎
  20. https://www.institut-fuer-menschenrechte.de/fileadmin/Redaktion/Publikationen/Weitere_Publikationen/
    Monitor_Gewalt_gegen_Frauen_2024
    , S. 21. ↩︎
  21. Ebd., Anm. 33. ↩︎
  22. Eszter Kováts: The consequences of the differing meanings of gender in policy and activism for politics, Blog der London School of Economics, 2018, https://blogs.lse.ac.uk/gender/2018/11/26/the-consequences-of-the-differing-meanings-of-gender-in-policy-and-activism-for-politics/ (Übersetzung durch d. Verf.). ↩︎