Die VDI-Anhörung zur „Toilettenrichtlinie“, eine Farce

Aber Teilerfolg macht Mut: Jetzt Einspruch zu Blatt 7 einlegen

Unter besonderen Sicherheitsvorkehrungen führte der VDI am 6. Juni 2023 in seiner Düsseldorfer Zentrale die Anhörung zu Einsprüchen gegen die Entwürfe der Richtlinienreihe VDI 6000 durch.

Vier Frauen und zwei Männer erhielten gemeinsam in zwei Zeitfenstern morgens und nachmittags Gelegenheit, ihre Einsprüche persönlich zu erläutern. Hilde Schwathe, Sprecherin von Geschlecht zählt, war eine von ihnen. Von ihr und einer anderen Teilnehmerin wurden zusätzlich insgesamt acht weitere Einsprüche von Frauen vertreten, die selbst nicht anwesend sein konnten. (Eine weitere Frau hatte ein eigenes Zeitfenster erhalten, ihr Einspruch bezog sich teils auf andere Inhalte der Richtlinie.)

Der Hintergrund

In einem Blogbeitrag hatte Geschlecht zählt über die geschlechtsverleugnende Neuausrichtung der Richtlinienreihe VDI 6000 und deren Auswirkungen berichtet und beispielhaft aufgezeigt, wie Einspruch zu den Entwürfen von Blatt 1 und Blatt 4 eingereicht werden konnte. In diesen Teilen der Richtlinie wird empfohlen, öffentliche und gewerblich genutzte Sanitärräume zukünftig grundsätzlich so zu gestalten, dass „insbesondere“ ihre „geschlechtsunspezifische Nutzbarkeit“ gegeben ist. Für Versammlungsstätten soll nicht mehr von der „Annahme einer binären paritätischen Geschlechteraufteilung“ ausgegangen werden, die den Verordnungen der Länder „noch“ zugrunde liege (Blatt 1 Einleitung und Abschnitt 6; Blatt 4, Abschnitt 5.7).

Warum der VDI nicht mehr von einer „binären paritätischen Geschlechteraufteilung“ ausgeht und dies in die Neufassung der VDI 6000 einfließt, hatte der technisch-wissenschaftliche VDI-Mitarbeiter Thomas Wollstein, der die Fach- und Richtlinienausschüsse im Bereich Sanitärtechnik verantwortet, ausführlich in offiziellen Interviews und Blogbeiträgen erklärt. Durch den gesetzlich eingeführten „dritten Personenstand“ – gemeint ist der Geschlechtseintrag „divers“ – sehe sich auch der VDI aufgefordert, für den betroffenen Personenkreis „individuelle Problemlösungen“ im Sanitärbereich bereitzustellen. Mit der Empfehlung einer „geschlechtsunspezifischen Nutzbarkeit“, also sog. All-Gender-Toiletten, schaffe man Lösungen für Personen, die bislang „in Frauenkleidung in der Öffentlichkeit das WC für Herren aufsuchen“ müssten. Dabei habe sich der zuständige VDI-Ausschuss durch die Deutsche Gesellschaft für Transidentität und Intersexualität (dgti e.V.) beraten lassen.

Gegen diese Neuausrichtung, die der rechtlichen Grundlage entbehrt und die Abschaffung von Toiletten für Frauen und Mädchen befördern würde, richteten sich die Einsprüche, um die es hier geht. Des Weiteren wurde die Führungsspitze des VDI in einem offenen Brief von Geschlecht zählt aufgefordert, diese Neuausrichtung zu stoppen und auch das bereits verabschiedete Blatt 7 zu öffentlichen Sanitärräumen zurückzunehmen. Hier gibt es einen Teilerfolg, denn dieses Blatt hat der VDI wieder in einen Entwurf umgewandelt, zu dem Einspruch möglich ist – dazu unten mehr. Hier zunächst ein Bericht aus Düsseldorf.

Das Setting der Anhörung

Vor allen Zugängen zum VDI-Gebäude in der Düsseldorfer Airport City stehen Wachmänner in gelben Westen. Sie checken unsere Namen auf Listen, ohne sie dort zu finden. Erst nach telefonischer Rücksprache dürfen wir das Foyer betreten. Dass das Sicherheitspersonal allein wegen unserer Anhörung engagiert wurde, erfahren wir erst später.

Wir werden in den Konferenzraum gebeten und stehen dem zuständigen Ausschuss gegenüber: zehn Personen hinter einer langen Tischreihe. Wir nehmen an der ebenso langen Tischreihe gegenüber Platz. Zwei Mitglieder des Ausschusses stellen sich vor: In der Mitte sitzt Frank Jansen, Geschäftsführer der VDI-Gesellschaft Bauen und Gebäudetechnik, er wird beide Sitzungen moderieren. Den Stuhl neben ihm besetzt Thomas Wollstein. Eingerahmt werden die beiden von acht ehrenamtlich tätigen VDI-Ausschussmitgliedern. Erst auf Bitten einer Einsprecherin hin gibt Jansen auch diesen die Möglichkeit, sich vorzustellen. So erfahren wir, dass hier mit sechs Meistern und Ingenieuren sowie einer Ingenieurin eine hochkarätige Expertise der Sanitärtechnik versammelt sein muss.

Die dgti im Ausschuss und Gedanken an die Trauzeugen-Affäre

Als achtes ehrenamtliches Ausschussmitglied sitzt direkt neben Wollstein die mit männlichem Geschlecht geborene Person Petra Weitzel, die inzwischen den Geschlechtseintrag „weiblich“ im Personenstandsregister hat. Weitzel hat den Vorsitz der Deutschen Gesellschaft für Transidentität und Intersexualität (dgti e.V.) inne und hat laut eigener Aussage Nachrichtentechnik studiert, nimmt also ohne konkrete Expertise in der Sanitärtechnik teil.

Das bedeutet: In dem Ausschuss, der die Einsprüche gegen die Passagen prüfen soll, die der VDI 6000 eine geschlechtsverleugnend-ideologische Ausrichtung geben, sitzt die Person, die den Vorsitz der Lobby-Organisation innehat, die den VDI genau dazu einschlägig beraten durfte. Die Beratung selbst erfolgte aber offenbar durch ein anderes dgti-Mitglied, das sich dessen in den sozialen Medien gerühmt hatte. Ein Schelm, wer da an Trauzeugen denkt.

Taktik und Befürchtungen im Ausschuss

Rasch wird deutlich: Bei der Veranstaltung geht es nicht darum, sich mit den Argumenten in unseren Einsprüchen auseinanderzusetzen, die letztlich allesamt den Schutz und die Würde von Frauen und Mädchen verteidigen. Gefragt ist lediglich, welche technischen Änderungsvorschläge wir hätten: Wo solle technisch nachgebessert werden, damit die „geschlechtsunspezifische Nutzbarkeit“ kein Problem für Frauen und Mädchen darstellt? Die von uns schriftlich beanstandeten grundlegenden Inhalte der Entwürfe und deren Auswirkungen habe der Ausschuss „verstanden“.

Wir werden gebeten, Wiederholungen in unserer Argumentation zu vermeiden und einen „respektvollen“ Umgangston zu wahren, anderweitig könnten wir aus den Sitzungen ausgeschlossen werden. An dieser Stelle wird auch erwähnt: Der Sicherheitsdienst sei engagiert worden, weil man mit Randale habe rechnen müssen – offenbar auch durch uns. Dies erklärt auch, warum im Ausschuss vorab wohl abgesprochen wurde, wie mit uns und unseren Argumenten am besten umzugehen sei. Es wirkt, als habe man vereinbart, dass außer dem Moderator Jansen und Thomas Wollstein möglichst nur zwei weitere Ausschussmitglieder mit uns sprechen sollen, einer von ihnen ist der ehrenamtliche Leiter des Ausschusses. Dass die VDI-Justiziarin vor der Sitzung dazu geraten habe, sich ausschließlich auf die Technik zu fokussieren, wird sogar offen bestätigt.

Inhaltliche Diskussion nicht erwünscht

Trotz der ständigen Hinweise darauf, dass es hier ausschließlich um sanitärtechnische Vorschläge ginge, erläutern wir unsere Einsprüche und referieren die Begründungen für die verlangte Streichung der ideologischen, nicht rechtskonformen Passagen in der Richtlinie.

Wir appellieren an die anwesenden Experten und die Expertin, sich vor Augen zu führen: Mit den grundlegenden Aussagen in der Richtlinie positioniert sich der VDI gesellschaftspolitisch und unterstützt die frauenfeindliche Transgenderidentitäts-Ideologie, wie die dgti sie vertritt. Wir machen deutlich, dass mit dieser Richtlinie in der jetzigen Form der Boden dafür bereitet wird, dass Toiletten und andere Sanitärräume für Frauen und Mädchen in Zukunft keine solchen mehr sein müssten und folglich abgeschafft werden könnten. Und wir weisen deutlich darauf hin, welches Gefahrenpotenzial es für die Sicherheit, Würde und Gesundheit von Frauen und Mädchen birgt, wenn sie Sanitärräume mit Männern und Jungen teilen müssen.

Transparenz auch innerhalb des VDI wird angemahnt

Die beiden männlichen Einsprecher kritisieren darüber hinaus die Intransparenz, die der VDI bei dieser wichtigen Richtlinienänderung sogar seinen Mitgliedern gegenüber an den Tag lege. Sie hätten erst durch die Initiative Geschlecht zählt bzw. die Berichterstattung davon Kenntnis erhalten. Beide Herren appellieren an die Ausschussmitglieder, die Reputation des VDI nicht zu verspielen. Diese sei gefährdet, wenn der VDI mit unlauteren Argumenten die Interessen einer kleinen, aber lauten Lobbygruppe vertrete und dabei das Interesse der Gesamtgesellschaft und die Sicherheit von Frauen und Mädchen missachte.

Ehrenamtliche Ausschussmitglieder werden in Mithaftung genommen

Unsere Argumente werden immer wieder abgewiegelt mit dem Hinweis, der Ausschuss habe „verstanden“, es ginge hier jedoch um konstruktive Vorschläge zur Technik. Um jeden Preis soll offenbar eine Diskussion darüber vermieden werden, dass und warum den beanstandeten Änderungen der Richtlinie die geschlechtsverleugnende Ideologie der Gender Identity (Geschlechtsrollenidentität) zugrunde liegt. Es wirkt, als dürfe nicht deutlich werden, für welchen gesellschaftlichen Sprengstoff die ehrenamtlichen Mitglieder hier quasi in Mithaftung genommen werden. Vielleicht entsteht aber auch gerade deshalb bei uns der Eindruck, dass so manches Ausschussmitglied langsam zu realisieren scheint, vor welchen Karren der VDI sich in dieser Sache spannen lässt.

Teilerfolg: Gegen Blatt 7 zu öffentlichen Sanitärräumen kann wieder Einspruch eingelegt werden – Frist läuft bis 30. Juni

Mit keinem Wort erwähnt der Ausschuss: Das bereits verabschiedete, aber bisher nicht veröffentlichte Blatt 7 der Richtlinienreihe VDI 6000 wurde still und leise wieder in einen Entwurf umgewandelt und mit einer Einspruchsfrist bis 30. Juni 23 bereitgestellt. In dem Blatt geht es um Sanitärräume im öffentlichen Bereich, wie öffentliche Toiletten. Der Entwurf kann wieder über Kauf oder per Einsicht an den Infopoints des Beuth Verlags, meist Bibliotheken, öffentlich eingesehen werden. Geschlecht zählt hat den Inhalt unter die Lupe genommen.

Wie erwähnt hatte Geschlecht zählt in ihrem offenen Brief an die VDI-Führungsebene gefordert, das Blatt 7 zurückzuziehen. Es war ohne öffentliche Transparenz verabschiedet worden und sein Inhalt konnte während der Einspruchsphase zu den anderen Blättern nicht öffentlich eingesehen werden. Eine Antwort auf den Brief erhielt Geschlecht zählt zwar bis heute nicht. Aber offenbar sah sich der VDI durch die Forderung und den Protest gezwungen, eine neue Einspruchsfrist dafür einzurichten.

Blatt 7: Universal-Design und Diversität

Im Abschnitt „Universal-Design/Diversität“ geht es um „Anforderungen besonderer Personengruppen“ für öffentliche Sanitärräume: mobilitätseingeschränkte Personen, Kinder, Personen anderer Kulturkreise. Hier bezieht man sich aber auch explizit auf Blatt 1 und damit auf den darin genannten „dritten Personenstand“ („divers“), der angeblich neue Konzepte im Sanitärbereich erfordere.

So werden „Menschen, die sich keinem der beiden klassischen Geschlechter ‚männlich‘ oder ‚weiblich‘ zuordnen möchten“, wie der VDI sie bezeichnet, unter die „besonderen Personengruppen“ für öffentliche Sanitärräume gefasst, ohne dass dies jedoch transparent gemacht wird. Gemeint sind damit diejenigen, die sich als „Transgender“ und „nonbinär“ verstehen. Damit würde die „geschlechtsunspezifische Nutzbarkeit“ gerechtfertigt und die Abschaffung von Frauentoiletten befördert. Die Details zur Problematik in Blatt 7 erfahren Sie im Folgenden.

Bitte legen Sie Einspruch gegen Blatt 7 ein. Hier finden Sie einen Beispieleinspruch mit Begründung.

In der bisher gültigen VDI-Richtlinie zu öffentlichen Sanitärräumen (VDI 3818), die jetzt zu Blatt 7 der VDI 6000 werden soll, sind die „Anforderungen besonderer Personengruppen“ noch als eigener, so überschriebener Abschnitt gefasst.

Im Unterschied dazu werden im Entwurf von Blatt 7 diese „Anforderungen besonderer Personengruppen“ (mobilitätseingeschränkte Personen, Kinder, Personen anderer Kulturkreise) unter die neu geschaffene Überschrift „6 Universal-Design/Diversität“ eingeordnet.

Bevor diese „besonderen Personengruppen“ jedoch überhaupt benannt werden, erfolgt der Hinweis auf Blatt 1. Damit bezieht sich sowohl das „Universal-Design“ als auch der Begriff „Diversität“ u.a. auf die beiden folgenden Stellen in Blatt 1:

  1. „Mit der Einführung des dritten Personenstands durch den Gesetzgeber sind neue Konzepte für Sanitärbereiche erforderlich. Es empfiehlt sich die Berücksichtigung im Rahmen eines Universal Design.“ (Einleitung)
  2. „Öffentlich und gewerblich genutzte Sanitärbereiche sind grundsätzlich so zu gestalten, dass Zugang und Nutzbarkeit für alle Personen gegeben sind. Dies beinhaltet insbesondere (…) geschlechtsunspezifische Nutzbarkeit.“ (Abschnitt 6)

In Verbindung mit diesen Stellen im grundlegenden Blatt 1 verweist der Begriff „Diversität“ aus Blatt 7 auf den Begriff „divers“, also den dritten Geschlechtseintrag im Personenstandsregister. So können unter die „besonderen Personengruppen“ ohne ihre explizite Nennung auch diejenigen subsumiert werden, die der zuständige VDI-Mitarbeiter offiziell bezeichnet als „Menschen, die sich keinem der beiden klassischen Geschlechter ‚männlich‘ oder ‚weiblich‘ zuordnen möchten“.

Der Geschlechtseintrag „divers“ betrifft jedoch genau diese Personen nicht. Bei ihnen handelt es sich um Menschen, sie sich als „non-binär“ oder „Transgender“ verstehen. Sie lehnen für sich die biologisch-körperlichen Merkmale als Indiz für ihr Geschlecht ab und fühlen sich stattdessen einer der inzwischen ca. 70 „Geschlechtsidentitäten“ im LGBTIQ*-Spektrum zugehörig. Diese basieren auf dem geschlechtsverleugnenden Konzept der „Gender identity“ (Geschlechtsrollenidentität) der Transgender-Rechtsbewegung.

Aus dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts 1 BvR 2019/16 vom 10. Oktober 2017 geht eindeutig hervor, dass der Geschlechtseintrag „divers“ und auch die Möglichkeit, keinen Geschlechtseintrag zu wählen, ausschließlich für Personen mit Varianten der Geschlechtsentwicklung, also Intergeschlechtliche, gilt. Das sind Personen, die sich aufgrund ihrer biologisch-körperlichen Gegebenheit „dauerhaft weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zuordnen lassen“.

Dass Personen, die sich als „non-binär“ oder „transgender“ verstehen oder sich auf andere „Genderidentitäten“ beziehen, davon ausgeschlossen sind, hat das Bundesinnenministerium mit Rundschreiben vom April 2019 an die Standesämter explizit verfügt.

Zum Beispieleinspruch gegen Blatt 7