Der offene Brief als PDF
28. Oktober 2022
Sehr geehrter Herr Dr. Kefer,
sehr geehrter Herr Wollstein,
sehr geehrter Herr Prof. Dr. Eckstein,
die Initiative Geschlecht zählt fordert den Verein Deutscher Ingenieure (VDI) hiermit auf, die Neufassung der Richtlinie zu Sanitärtechnik und Sanitärräumen VDI 6000 einschließlich des bislang nicht veröffentlichten Blattes 7 zu stoppen und seine Empfehlung, „öffentlich und gewerblich genutzte Sanitärbereiche grundsätzlich so zu gestalten, dass eine geschlechtsunspezifische Nutzbarkeit gegeben ist“, zurückzuziehen.
Es ist nicht hinnehmbar, dass der VDI mit seiner Empfehlung vorrangig die „persönlichen Bedürfnisse“ bedient, die von der Deutschen Gesellschaft für Transidentität und Intersexualität e.V. (dgti) vertreten werden, wie dies Herr Wollstein als Verantwortlicher der Neufassung dieser Richtlinie in einem Interview mit dem Beuth Verlag erklärt hat. Es ist nicht hinnehmbar, dass das aus dieser Empfehlung resultierende Gefährdungspotenzial für Frauen und Mädchen billigend in Kauf genommen wird, wenn diese sich infolge der geplanten Richtlinienfassung die Toiletten mit Männern teilen müssen.
Vom VDI als einem Projektträger öffentlicher Forschungsförderung wird erwartet, dass er das Thema „Zutritt von Männern in separierte Frei- und Schutzräume für Frauen“, um das es hier geht, umfassend und verantwortungsbewusst erörtert. Und dass er dies tut, bevor eine Empfehlung mit so weitreichenden, risikobehafteten Folgen für Frauen und Mädchen ausgesprochen wird.
Nach Veröffentlichung unseres Beitrags Gibt es bald keine Frauentoiletten mehr?, in dem über die geplante Neufassung der VDI Richtlinie 6000 berichtet wird, legten – wie uns rückgemeldet wurde – zahlreiche Frauen und auch Männer, die sich als Väter von Mädchen oder Partner von Frauen sorgen, Einspruch beim VDI gegen die Neufassung ein und schrieben Ihnen auch Protestbriefe. Innerhalb dessen reagierten auch Seniorenverbände unterschiedlichster Couleur. Manch eine/r dieser Seniorinnen und Senioren ist selbst Mitglied des VDI.
Die Einsprüche und Protestschreiben richten sich dagegen, dass der VDI „eine diskriminierungsfreie Toilettennutzung für alle“ mit Unisex-Toiletten empfiehlt, und gegen dessen Begründungen dafür. Die Aussagen in den Blättern 1 und 4 des Entwurfs für die Neufassung der Richtlinie decken sich mit den Begründungen, die Herr Wollstein als zuständiger technisch-wissenschaftlicher Mitarbeiter des VDI in besagtem Interview dafür nennt.
Die Initiative Geschlecht zählt fragt:
- Wusste der VDI wirklich nicht, dass er hier die Partikularinteressen einer Personengruppe, die ca. 0,6 % der Gesamtgesellschaft ausmacht, bedient, und diese damit über die Interessen von Frauen und Mädchen stellt, einer Gruppe, die mehr als die Hälfte der Gesellschaft ausmacht?
- Wusste der VDI wirklich nicht, dass die dgti eine der führenden Organisationen der Transgender-Rechtslobby ist, die fordert, dass Männer, die – im Besitz ihrer männlichen Genitalien – behaupten, Frauen zu sein, Zugang zu allen Frei- und Schutzräumen von Frauen erhalten sollen, und dass immer mehr Frauen und auch Männer sich dagegen wehren?
- Wusste der VDI darüber hinaus wirklich nicht, um was genau es bei der Diskussion um Geschlecht (engl. sex), Geschlechtsrolle (engl. gender) und Geschlechtsidentität (engl. gender identity) geht?
Die teils abstrusen VDI-Aussagen im Interview von Herrn Wollstein dazu, warum Konzepte für sogenannte Unisex-Toiletten erforderlich seien, werfen – wie im Folgenden erläutert – diese Fragen zumindest auf.
Das Argument des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG)
- Herr Wollstein bezieht sich seinem Interview auf das AGG und vertritt, die „herkömmliche binäre Aufteilung in Toiletten für Damen und Herren“ führe zu einem „Zwangsouting“ von Menschen, die in der Öffentlichkeit in Frauenkleidung „das WC für Herren“ aufsuchten.
Personen, die in Frauenkleidung das WC für Herren aufsuchen (müssten), sind außer sogenannten Crossdressern die Männer, die sich – im Besitz ihrer männlichen Genitalien – aufgrund ihrer gender identity (Geschlechtsrollenidentität) als Frauen verstehen. Hätte der VDI das AGG auf diesen Zusammenhang hin überprüft, hätte bemerkt werden müssen, dass zum einen in § 1 AGG das Merkmal Geschlechts(rollen)identität (gender identity), das für die „Personen in Frauenkleidern“ hier bemüht wird, nicht erwähnt ist. Im AGG geht es um das Geschlecht (engl. sex) und die „sexuelle Identität“, also die sexuelle Orientierung hetero-, homo- und bisexuell.
Zum zweiten hätte bemerkt werden müssen, dass § 20 AGG die unterschiedliche Behandlung der Geschlechter aus sachlichem Grund von dem Verbot der Benachteiligung nach § 1 ausnimmt. Geschlechtergetrennte Toiletten existieren aus verschiedenen sachlichen Gründen. Dazu gehören unter anderem das höhere Risiko für Frauen und Mädchen, in gemischten Sanitärräumen Opfer von sexualisierten Übergriffen durch Männer und Jungen zu werden sowie die Einschränkung der Teilhabe von Frauen und Mädchen aus kulturellen, religiösen, weltanschaulichen oder auch gesundheitlichen Gründen. - Das AGG verbietet Diskriminierung im Beruf. Dies jedoch als Begründung dafür anzuführen, dass der VDI das „Thema Diversität, also die Vielfalt“ anpacken müsse, weil es bei Stellenausschreibungen üblich sei, „neben Männern und Frauen auch Personengruppen nicht-binären Geschlechts anzusprechen“, ist aberwitzig und falsch.
Richtig ist: Bei Stellenausschreibungen wird neben „weiblich“ und „männlich“ mit „divers“ (w/m/d) die Zielgruppe intergeschlechtliche Personen angesprochen.
Richtig ist: Weder Transgender noch „nicht-binäre“ Menschen sind eine „Personengruppe nicht-binären Geschlechts“, wie Herr Wollstein diese nennt. Es gibt kein „nicht-binäres Geschlecht“. Transgender sind männliche und weibliche Personen, die als solche aufgrund einer gefühlten „Geschlechtsidentität“ in der gegengeschlechtlichen Rolle leben. Andere Frauen und Männer nehmen für sich eine gefühlte „nicht-binäre Geschlechtsidentität“ in Anspruch. Sie folgen damit einem ideologischen Konstrukt aus dem LGBTIQ*-Spektrum und können sich so einer von mittlerweile mehr als sechzig solcher „nicht-binären“ Identitäten zugehörig fühlen. Weil darunter jedoch auch „Identitäten“ gefasst werden könnten, die für Frauen und Mädchen sowie Kinder generell nicht nur eine Beeinträchtigung, sondern unter Umständen eine Gefahr darstellen, müssen zu deren Schutz Toiletten für weibliche und männliche Personen als separierte Räume bestehen bleiben. Erwähnt sei an dieser Stelle, dass verstärkt propädosexuelle Aktivisten darauf drängen, das „P“ für ihre „Identität“ der Buchstabengruppe LGBTIQ* hinzuzufügen.
Das Argument des „dritten Personenstands“
In Blatt 1 des Entwurfs der Richtlinie wird das Argument angeführt, „mit der Einführung des dritten Personenstands durch den Gesetzgeber“ seien neue Konzepte für Sanitärbereiche erforderlich geworden, deshalb empfehle man „die Berücksichtigung im Rahmen eines Universal-Designs“.
Hier bemüht der VDI das „Gesetz zur Änderung der in das Geburtenregister einzutragenden Angaben“ als Begründung für die Neufassung der VDI 6000, obwohl es mit Konzepten für Sanitärbereiche rein gar nichts zu tun hat.
Mit diesem Gesetz wurde das Personenstandsgesetz (PStG) angepasst, damit Personen mit Varianten der Geschlechtsentwicklung, also intergeschlechtliche bzw. intersexuelle Menschen, die Möglichkeit haben, im Geburtenregister neben den juristischen Kategorien „männlich“ und „weiblich“ sowie dem Offenlassen des Geschlechtseintrages mit „divers“ einen eigenen Eintrag zu wählen.
Die vom VDI „dritter Personenstand“ genannte Kategorie „divers“ gilt ausschließlich für intergeschlechtliche Menschen und nicht für Personen, die sich – beruhend auf einem Gefühl – als Transgender oder „nicht-binär“ verstehen. Weil trotzdem manche Personen, die sich als Transgender verstehen, unrechtmäßig diese Regelung für sich beanspruchen, wurden die Standesämter vom Bundesinnenministerium per Personalrundschreiben explizit darauf hingewiesen.
Sehr geehrter Herr Dr. Kefer, sehr geehrter Herr Wollstein, sehr geehrter Herr Prof. Dr. Eckstein, wir fordern Sie auf:
- Stoppen Sie die Verabschiedung und das Inkrafttreten des vorliegenden Entwurfes der VDI 6000, also aller Blätter inklusive Blatt 7.
- Richten Sie die Arbeit Ihres verdienten Verbandes nicht weiter einseitig an der Lobbyarbeit einer aktivistischen Organisation aus, die gegen die Schutz- und Freiheitsinteressen von Frauen und Mädchen arbeitet.
- Setzen Sie sich dafür ein, dass der VDI als wichtiger Regelsetzer dem Anspruch, die Bedürfnisse der Gesamtbevölkerung zu berücksichtigen und nicht nur Partikularinteressen zu vertreten, gerecht wird.
Die Initiative Geschlecht zählt bittet um Stellungnahme des VDI.
Mit freundlichen Grüßen
Hilde Schwathe
– für die Initiative Geschlecht zählt –