OFFENER BRIEF: Missachtung von VDI-eigenen Standards beim Anhörungsverfahren zu den Entwürfen der VDI 6000 „Sanitärtechnik – Sanitärräume“

Der offene Brief
mit kommentierter Aufstellung der
nicht berücksichtigten VDI-Grundsätze

11. August 2023

Sehr geehrter Herr Prof. Dr. Eckstein,
sehr geehrter Herr Dipl.-Ing. Jansen,
sehr geehrter Herr Dipl.-Ing. Kleist,
sehr geehrter Herr Dipl.-Ing. Willig,

die Initiative Geschlecht zählt setzt sich für die Wahrung der geschlechtsbedingten Rechte von Frauen und Mädchen ein, zu denen auch das Recht auf Schutzräume wie geschlechtergetrennte Sanitärräume gehört.

Mit diesem Offenen Brief beanstanden wir das Vorgehen des VDI beim Anhörungsverfahren zu den Entwürfen der VDI 6000. Wir bitten Sie als verantwortliche Repräsentanten und Leitung des VDI, den laufenden Prozess auf seine Übereinstimmung mit VDI-Qualitätsstandards wie der VDI 1000 zu überprüfen, und ihn dementsprechend zu korrigieren.

Am 24.08.2023 soll die Anhörung zu den Einsprüchen zum Entwurf VDI 6000 Blatt 7 als Videokonferenz stattfinden. Dazu hat der zuständige Mitarbeiter, Herr Wollstein, den Einsprecherinnen und Einsprechern neben der Einladung eine Liste mit Hinweisen zukommen lassen.

In dieser Aufstellung wird explizit darauf hingewiesen, dass es bei der Anhörungssitzung, wie schon zuvor bei der Anhörung zu den Blättern 1 und 4, nicht um die Inhalte der Einsprüche gehen soll, deretwegen die Personen eingeladen sind. Die Einsprecherinnen und Einsprecher hätten sich in der Anhörung lediglich auf technische Aspekte der Richtlinie zu beschränken.

Die VDI 6000 bezieht sich in den Entwürfen zu den Blättern 1, 4 und 7 jedoch nicht ausschließlich auf Technik im Sinne einer Regel der Technik, sondern auch auf Themen von gesellschaftlicher Relevanz. In diesen Blättern werden grundlegende und strukturelle Änderungen vorgenommen, mit denen der VDI sich gesellschaftspolitisch im Sinne der Lobbyorganisation Deutsche Gesellschaft für Transidentität und Intersexualität (dgti e.V.) positioniert und die er mit deren inkorrekten Narrativen begründet. Darauf bezieht sich ein Großteil der Einsprüche.

Es betrifft die Interessen von Frauen und Mädchen in besonderer Weise, wenn der VDI einseitig Partei nimmt für die Interessen der Transgender-Rechtsbewegung, wie die dgti sie vertritt, und daraus bestimmte Inhalte und Strukturveränderungen für die Richtlinie VDI 6000 ableitet.

So lautet etwa eine grundlegende Empfehlung des VDI in den Entwürfen: „Öffentlich und gewerblich genutzte Sanitärbereiche sind grundsätzlich so zu gestalten, dass Zugang und Nutzbarkeit für alle Personen gegeben sind. Dies beinhaltet insbesondere (…) geschlechtsunspezifische Nutzbarkeit.“ (Blatt 1, Entwurf 2022, S. 6) Dabei soll nicht mehr wie bislang „von einer binären, paritätischen Geschlechteraufteilung“ ausgegangen werden, die Sanitärräume in Frauen-, Männer- und barrierefreie Toiletten gliedert (Blatt 4, Entwurf 2022, Abschnitt 5.7). Damit werde z.B. ein „Zwangs-Outing“ von „jemandem in Frauenkleidung“, der „in der Öffentlichkeit das WC für Herren aufsucht“ verhindert, wie Herr Wollstein in einem Interview mit dem Beuth Verlag erläutert.

Ignoriert wird dabei, welche Gefahren und Risiken es für Frauen und Mädchen mit sich bringt, wenn diese die Sanitärräume mit Männern und Jungen in Unisex-Toiletten oder -Duschen teilen müssen. Ignoriert werden dabei auch die Erfahrungen aus Ländern wie z.B. Großbritannien, wo man von Unisex-Toiletten gerade wieder zu geschlechtergetrennten zurückkehren (muss), eben weil man die Erfahrung macht, dass Unisex-Toiletten nachweislich die Sicherheit von Frauen und Mädchen gefährden.

Indem der VDI allein eine Organisation zu Rate zieht, die als politische Lobbyorganisation die Interessen einer Personengruppe bedient, die weniger als 0,6 % der Gesamtgesellschaft beträgt, stellt er die Partikularinteressen dieser Gruppe über die Interessen von Frauen und Mädchen, einer Gruppe, die mehr als die Hälfte der Gesellschaft ausmacht, und ignoriert deren Schutzrechte.

Genau auf diese auch gesamtgesellschaftlich höchst umstrittene Thematik in den Entwürfen bezieht sich der Großteil der Einsprüche und Stellungnahmen, die dem VDI zu den genannten Blättern vorliegen. Die Problematik wurde bereits im Offenen Brief von Geschlecht zählt vom Oktober 2022 ausführlich dargelegt. Eine Stellungnahme des VDI steht aus.

Die Vorgaben und das Verfahren des VDI für die Anhörungen werden diesem Sachverhalt aber in keinster Weise gerecht, weil der VDI darin allein auf die Technik abhebt. Indem den Einsprecherinnen und Einsprechern vorgegeben wird, sie hätten sich in der Anhörung nur auf technische Aspekte zu beziehen, nimmt der VDI den eigentlichen Gegenstand der Einsprüche von den Anhörungen aus.

Diese Vorgehensweise entspricht weder der VDI 1000, in der der Verein seine Richtlinienarbeit regelt, noch seinen ethischen Grundsätzen.

Eine Aufstellung wesentlicher missachteter VDI-Regularien finden Sie im Anhang.

Bereits die im Juni 2023 erfolgte Anhörung zu Blatt 1 und Blatt 4 wurde unter Missachtung der vereinseigenen Grundsätze durchgeführt, weshalb sich die Veranstaltung als Farce gestaltete.

Sehr geehrte Herren, Ihr Eingreifen im Sinne einer Überprüfung ist nötig, damit sich die hier dargelegte Missachtung der VDI-eigenen Qualitätsstandards nicht bei der Anhörung zu Blatt 7 wiederholt, sondern der Ausschuss sich mit den tatsächlichen Inhalten der eingelegten Einsprüche auseinandersetzt.

Wir ersuchen Sie, für ein angemessenes Anhörungsverfahren zu sorgen, mit dem der VDI auch seiner gesellschaftlichen Verantwortung als wichtiger Regelsetzer im deutschen und europäischen Kontext nachkommen kann.
Die Initiative Geschlecht zählt bittet um Ihre Stellungnahme.

Mit freundlichen Grüßen
Hilde Schwathe
– für die Initiative Geschlecht zählt –

Anlage: Aufstellung wesentlicher missachteter VDI-Grundsätze